Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
die dir der Arzt verschrieben hat oder andere?«
»Nein, nichts dergleichen, nur den Kräutertee, den mir der Doc zusammengestellt hat. Und Paracetamol. Aber meine gesamte Notration Medikamente wurde in den Mörser geschüttet.«
»Warum sollte jemand so was tun?«
»Damit ich glaube, dass ich verrückt bin. Um mich in den Wahnsinn zu treiben – was nicht besonders schwierig ist. Weil ich gesehen habe, was ich gesehen habe. Aber es ist ja nicht weiter schwer, eine Verrückte unglaubwürdig wirken zu lassen.«
»Man hat eine Leiche gefunden …«
»Das war sie nicht«, schnitt ihr Reece mit schriller Stimme das Wort ab. »Das war nicht dieselbe Frau. Das war sie nicht, außerdem …«
»Hör auf damit.« Joanies Stimme war barsch und traf sie wie eine Ohrfeige. »Ich rede so lange nicht mehr mit dir, bis du dich wieder beruhigt hast.«
»Du hast gut reden. Versuch du mal, dich zu beruhigen, wenn dir jemand so was antut. Versuch du mal, vernünftig zu bleiben, wenn du nicht weißt, was als Nächstes passiert. Geschweige denn, wann. Meine Kleider sind ruiniert. Ich hatte gerade noch genügend Geld übrig, um sie zu waschen, bevor wieder Zahltag ist. Und jetzt sind sie ruiniert.«
»Du kannst bei Mac anschreiben lassen. Oder aber ich gebe dir einen Vorschuss, wenn du etwas ersetzen musst.«
»Darum geht es nicht.«
»Nein. Aber immerhin besser als gar nichts. Wie lange geht das schon so?«
»Bisher waren es nur Kleinigkeiten, aber begonnen hat es gleich, nachdem ich gesehen habe, wie diese Frau ermordet wurde. Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.«
»Du musst mit dem Sheriff reden.«
»Warum?« Reece raufte sich die Haare. »Du glaubst doch nicht etwa, dass der Müll in meinem Kofferraum irgendwelche Fingerabdrücke aufweist?«
»Trotzdem, Reece.«
»Ja.« Seufzend ließ sie die Hände sinken und rieb damit über ihr Gesicht. »Ja, ich werde mit dem Sheriff sprechen.«
»Gut. Fürs Erste gehst du am besten die Kleider durch, siehst nach, welche noch zu retten sind, und hängst sie zum Trocknen auf. Wenn du eine neue Bluse oder Unterwäsche brauchst, kannst du dir das Zeug in der Pause bei Mac neu kaufen. Dir bleiben noch fünf Minuten, bis deine Schicht beginnt.«
Joanie drückte ihre Zigarette aus. Sie erhob sich und zog einen Zwanzigdollarschein aus der Hosentasche. »Dafür, dass du das Bad gestrichen hast.«
»Das war nicht ich, das war Brody.«
»Dann gib ihn eben Brody, wenn du dich so anstellst.«
Ihr Stolz kämpfte mit ihrer Vernunft, und die Vernunft gewann die Oberhand. »Danke.«
»Weiß Brody davon?«
»Ja, bis auf das, was heute passiert ist. Aber sonst schon.«
»Willst du ihn anrufen, bevor du zum Arbeiten runterkommst?«
»Nein. Ich bin ihm sowieso nur im Weg.«
Joanie schnaubte. »Manchmal haben Männer durchaus was für sich, aber wenn man nicht gerade unter einem liegt und einen Orgasmus hat, fällt es schwer zu sehen, wozu sie eigentlich noch taugen. Reiß dich zusammen und komm runter. Heute stehen Hochrippensteaks auf der Tageskarte.«
Reece richtete sich auf und versetzte dem Wäschekorb einen kleinen Tritt.
»Hochrippensteaks von was?«
»Büffel«, sagte Joanie mit einem dünnen Lächeln. »Vielleicht fällt dir ja was ein, wie man die aufpeppen kann.«
»Und ob mir da was einfällt.«
»Dann beweg deinen Hintern und mach dich an die Arbeit. Ich habe auch nur zwei Hände.«
Brody überlegte, eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben, und musste an Hähnchen und Klöße denken.
Das hatte sie mit Absicht getan, beschloss er. Sie hatte ihm das nur an den Kopf geworfen, damit er bloß noch an sie – besser gesagt, an Hähnchen und Klöße denken konnte, verbesserte er sich.
Dabei hatte er nur etwas klarstellen wollen. Hatte er nicht genau das gesagt? Aber sie hatte überreagiert wie alle Frauen.
Ein Mann hatte schließlich das Recht auf ein bisschen Luft zum Atmen, und erst recht in seinem eigenen Haus oder etwa nicht? Das Recht auf ein bisschen Ruhe und Frieden, ohne dass ihn ständig eine Frau betüttelte.
Genauso hatte er das Recht, Tiefkühlpizza zu essen, wann immer er wollte. Dummerweise wollte er gar nicht. Er wollte eine anständige, heiße Mahlzeit. Und wo es die gab, wusste er nur zu gut.
Er hatte schließlich schon im Angel Food gegessen, bevor sie aufgetaucht war, dachte Brody, als er zu seinem Wagen ging. Er fuhr nicht etwa dahin, weil sie dort war. Das war reiner Zufall. Und wenn sie weiterhin rumzicken wollte, war das allein ihre
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