Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
zuhören.«
»Ich habe Ohren«, erinnerte er sie und bog dann ab, um eine Abkürzung zu seinem Blockhaus zu nehmen.
Er näherte sich ihm von der Rückseite, wo es von Bäumen und Wüstenbeifuß umgeben war. Wahrscheinlich konnte er die Berge von jedem Fenster aus sehen.
»Es ist hübsch hier. Ein nettes Fleckchen.« Doch als er die Hintertür aufmachte, bekam sie einen ganz trockenen Mund. Er hatte nicht abgeschlossen. Jeder konnte einfach so eintreten.
Als sie ihm nicht hereinfolgte, drehte er sich um. »Wollen Sie draußen bleiben und dort mit Rick reden? Dem Sheriff?«
»Nein.« Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat hinter ihm über die Schwelle.
Folgte ihm in die Küche. Sie war klein, aber gut geplant. Er putzte wie ein Mann. Eine schreckliche Verallgemeinerung, dachte sie, aber die meisten Männer, die sie kannte und die nicht in ihrer Branche arbeiteten, putzten bloß die Arbeitsflächen. Und spülten das Geschirr. Schluss, aus, fertig.
Auf der steingrauen Küchentheke waren eine weiße Schüssel mit ein paar Äpfeln und einer überreifen Banane, eine Kaffeemaschine, ein Toaster, der mehr Jahre auf dem Buckel hatte als sie selbst, und ein Notizblock.
Brody ging sofort zur Kaffeemaschine, füllte sie mit Wasser und dosierte das Kaffeepulver, bevor er sich die Jacke auszog. Reece blieb, wo sie war, während er den Schalter der Maschine umlegte und aus einem Oberschrank drei weiße Steingutbecher holte.
»Hm, haben Sie auch Tee?«
Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Aber klar doch. Mal sehen, wo ich den Wasserkocher hingetan habe.«
»Ich nehme an, das heißt nein. Ich trinke keinen Kaffee, der macht mich nervös. Noch nervöser«, fügte sie hinzu, als er fragend die Brauen hob.
»Wasser. Wasser geht auch. Schließen Sie die vordere Haustür nicht ab?«
»Abschließen ist hier vollkommen sinnlos. Wer reinwill, tritt einfach die Tür ein oder schlägt eine Scheibe ein.« Als er sah, dass sie ganz blass wurde, legte er den Kopf schräg. »Wie bitte? Sie wollen, dass ich in den Schrank und unters Bett schaue?«
Sie drehte sich wortlos um und setzte seinen Rucksack ab. »Ich wette, Sie hatten noch nie in Ihrem Leben Angst.«
Jetzt habe ich sie provoziert, dachte er, wobei ihm der beleidigte, wütende Ton in ihrer Stimme lieber war als dieses bange Zittern.
»Michael Myers.«
Verwirrt fuhr sie herum. »Wer? Shrek?«
»Meine Güte, das ist Mike Myers. Michael Myers. Der gruselige Typ mit der Maske. Halloween? Ich hab’s auf Video gesehen, als ich zehn war, und hab mir fast in die Hosen gemacht vor lauter Angst. Danach wohnte Michael Myers noch jahrelang in meinem Schlafzimmerschrank.«
Ihre Schultern entspannten sich ein wenig, als sie sich aus ihrer Jacke schälte.
»Wie sind Sie ihn wieder losgeworden? Trat er nicht in einem Horrorfilm nach dem anderen auf?«
»Ich hab ein Mädchen in mein Zimmer geschmuggelt, als ich sechzehn war. Jennifer Ridgeway. So eine süße, kleine Rothaarige mit viel … Energie. Nach ein paar Stunden mit ihr im Dunkeln hab ich kaum noch an Michael Myers denken müssen.«
»Sex als Exorzismus?«
»Bei mir hat’s funktioniert.« Er ging zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. »Wenn Sie’s ausprobieren wollen – Sie brauchen mir bloß Bescheid zu geben.«
»Ich werd auf Sie zurückkommen.« Reflexartig fing sie die Flasche auf, die er ihr zugeworfen hatte. Fast wäre sie ihr entglitten. Als es laut an der Tür klopfte, verspannten sich ihre Schultern erneut.
»Das wird der Sheriff sein. Michael Myers klopft nicht. Wollen wir das hier in der Küche erledigen?«
Sie blickte auf den kanaldeckelgroßen Küchentisch. »Hier ist gut.«
»Warten Sie kurz.«
Während er dem Sheriff öffnete, schraubte sie die Flasche auf und trank jede Menge von dem eiskalten Wasser. Sie hörte ein leises Murmeln, schwere Tritte von Männerstiefeln. Ruhig, ganz ruhig, redete sie sich gut zu. Red ruhig und deutlich und behalte einen klaren Kopf.
Rick kam herein und nickte ihr zu, ohne dass seine Augen auch nur das Geringste verrieten. »Reece. Wie ich höre, sind Sie in Schwierigkeiten.«
»Ja.«
»Dann wollen wir uns mal setzen, damit Sie mir alles in Ruhe berichten können.«
Sie nahm Platz und fing an zu erzählen, bemühte sich, jedes Detail wiederzugeben, ohne ins Stocken zu geraten oder etwas Relevantes zu vergessen.
Brody schenkte schweigend Kaffee aus und stellte einen der Becher vor Rick hin.
Während des Sprechens fuhr sie mit der Hand immer
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