Verschlungene Wege: Roman (German Edition)
ihre Vorsicht und ihre Spontaneität. Leute, die allzu vorhersehbar waren, wurden bald langweilig.
Außerdem wurde er das Gefühl nicht los, dass sie beide in diese Sache verwickelt waren.
Und bis die aufgeklärt war, lohnte es sich bestimmt, mehr über sie herauszufinden.
Er sah sich um. Sein Laptop lag auf dem Tisch.
»Jetzt oder nie«, beschloss er, nippte noch einmal an seinem Bier und schloss die Tür.
Er fuhr den Computer hoch und holte die Pizza aus dem Ofen. Genau wie die Kaffeemaschine gehörte auch das Pizzarad zu seiner bescheidenen Küchengrundausstattung. Er ließ die ganze, in vier Teile geschnittene Pizza auf einen Teller plumpsen, schnappte sich ein paar Papierservietten, machte sich ein zweites Bier auf, und fertig war das Abendessen!
Er würde kaum länger brauchen als der Sheriff, um sich Informationen über Reece zu beschaffen. Als er nach ihr googelte, bekam er genügend interessante Treffer, um eine Weile beschäftigt zu sein.
Er stieß auf einen alten Artikel über aufstrebende Bostoner Chefköche, in dem die damals vierundzwanzigjährige Reece porträtiert wurde. Er hatte Recht gehabt, dachte er, als er einen Blick auf das Foto warf. Mit ungefähr fünf Kilo mehr auf den Rippen sah sie deutlich besser aus. Ehrlich gesagt, sah sie sogar verdammt gut aus.
Jung, dynamisch, irgendwie authentisch . Sie grinste in die Kamera und hielt dabei eine große blaue Schüssel und einen silbrig schimmernden Quirl in den Händen. In dem Artikel wurde über ihre Berufsausbildung berichtet – wobei sich das Jahr in Paris besonders gut machte – und die Anekdote erzählt, dass sie schon als Kind Fünfgängemenüs für ihre Puppen zubereitet hatte. Zitiert wurden auch Tony und Lisa Maneo, die Besitzer des Restaurants, in dem sie gearbeitet hatte – ein Paar, das nur wenige Jahre später tot sein würde. Reece sei nicht nur ein Geschenk für ihren Betrieb, sondern auch für ihre gesamte Familie, sagten sie.
In dem Artikel stand noch so manches andere. Er erfuhr, dass sie mit fünfzehn Waise geworden und von da an bei ihrer Großmutter mütterlicherseits aufgewachsen war. Sie war unverheiratet, sprach fließend Französisch und genoss es, Freunde zu bewirten, vor allem ihre Sonntagsbrunches waren legendär.
Die Adjektive, mit denen sie beschrieben wurde, lauteten energiegeladen, kreativ, abenteuerlustig und – etwas, das er nur bestätigen konnte – dynamisch.
Und jetzt? Wie würde er sie jetzt beschreiben?, fragte sich Brody, während er sich zurücklehnte und auf seiner Pizza herumkaute. Nervös, willensstark.
Heiß.
Und in einer Klatschspalte des Boston Globe stand, dass sie nunmehr Chefköchin eines »absolut beliebten Hotspots« werden würde, eines Lokals, das »für sein amerikanisches Fusion-Food und seine gesellige Atmosphäre« berühmt war.
Neben den üblichen biografischen Angaben enthielt der Artikel auch ein Foto von einer mondän gestylten Reece, die ihr Haar hochgesteckt hatte – was für ein schöner Hals! – und in einem sexy schwarzen Kostüm und Schwindel erregend hohen roten Schuhen vor ihrer neuen Edelstahl-Luxusküche posierte.
Meine Zeit im Maneo’s und die Leute, mit denen ich dort gearbeitet oder gekocht habe, werden mir immer unvergesslich bleiben. Tony und Lisa Maneo gaben mir nicht nur zum ersten Mal die Chance, mich beruflich zu beweisen, sondern waren auch wie eine Familie für mich. Doch obwohl ich das Maneo’s vermissen werde, kann ich es kaum erwarten, Teil des kreativen Teams im Oasis zu werden. Ich möchte das hohe Niveau des Lokals halten – und die Gäste mit ein paar neuen Spezialitäten überraschen.
»So wie du aussiehst, würde ich dich am liebsten selbst vernaschen«, murmelte er und betrachtete nochmals ihr Foto.
Er notierte sich das Erscheinungsdatum des Artikels und stellte fest, dass er ungefähr zu der Zeit veröffentlicht worden war, als er seinem Verleger bei der Trib die Arschkarte gezeigt hatte. Und als er den ersten Bericht über die Morde im Maneo’s ausfindig gemacht hatte, sah er, dass er gerade mal drei Tage nach dem Globe -Artikel erschienen war.
Ein absolut lausiger Beitrag. Reece wurde als einzige Überlebende genannt, die mehrfach angeschossen worden sei und sich in einem kritischen Zustand befinde. Die Polizei stelle Ermittlungen an, blablabla. Die Besitzer wurden erwähnt und das Restaurant, das sie mehr als ein Vierteljahrhundert geführt hatten. Es gab Zitate von Familienangehörigen und Freunden – der Schock, die
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