Verschollen
plötzlich.
Tristan blickte verwirrt in die linke Gasse und ihm blieb der Mund offen stehen. Eine Gruppe von Ogern marschierte ihnen entgegen, voran schritten drei Gestalten, deren Anblick Tristan das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er hatte geglaubt, nach dem, was er heute hatte mit ansehen müssen, hätte ihn nichts mehr schocken können, aber die drei waren Leichen – lebende Leichname von Menschen!
Zwei schleppten sich mühsam voran, die Haut schälte sich von ihren Armen, ihre Gesichter waren grauenvoll entstellt. Bei dem einen hatte die Verwesung bereits eingesetzt und eine der Wangen war teilweise weggefault, sodass die Zähne zu sehen waren und er auf furchtbare Weise zu grinsen schien. Die furchteinflößendste Gestalt war die dritte. Sie trug eine lange braune Kutte und man hätte sie für einen Mönch halten können, doch im Schatten der Kapuze sah man weiße Kiefer glänzen, aus den Ärmeln ragten Knochenhände und sie lief auf Knochenfüßen.
Das Skelett blieb stehen und Tristan glaubte, den Blick seiner leeren Augenhöhlen auf sich zu spüren. Als es mit einer tiefen, weit hallenden Grabesstimme zu sprechen anhob, stellten sich Tristan alle Härchen auf: »Bringt mir den Paladin!«
Die Oger stürmten vor, es waren nur sieben oder acht, aber Martin und Tristan waren allein und Tristan immer noch erschöpft. Martin fing sich zuerst. »Hinterhalt!«, brüllte er und einige Kämpfer, die die Gegner beinahe bis ins Bergwerk getrieben hatten, blickten sich um. Martin winkte ihnen wild, zurückzukommen.
Doch Tristan spürte schon die Straße unter den nahenden Schritten der Oger erbeben, es würde zu lange dauern. Er hob sein Schwert. Zurückweichen konnten sie nicht, denn sonst würde ihre Truppe in der Gasse eingeschlossen sein, und er hörte vom Bergwerk her die Monster brüllen, als ob auch von dort ein neuer Angriff drohte. Er fixierte die Oger, die mit riesigen Schritten näher kamen. Sie hatten keine Keulen, sondern lange, gebogene Säbel mit einem Stilett an der Unterseite des Griffs. Einer lief voran, die anderen folgten in zwei Dreierreihen. Sie werden uns einfach über den Haufen rennen, dachte Tristan entsetzt und wimmerte leise. Sein gezogenes Schwert lag wie ein Bleigewicht in seiner Hand, sein Atem ging immer noch heftig und er war sich nicht sicher, ob er noch einen Zauber wirken konnte. Aber er musste es versuchen, sonst waren sie beide und womöglich sogar die ganze Truppe verloren.
Er kniete sich hin, atmete zweimal tief durch, wählte das mittlere Stärkemal, denn mehr traute er sich nicht mehr zu. Dann tippte er auf die Male für den Lähmzauber, zielte auf die Beine des ersten Ogers, der schon beinahe in Schlagdistanz war, und feuerte. Mitten im Lauf wurde dessen Bein plötzlich zu nutzlosem Ballast, er stolperte und fiel und die hinter ihm kommenden gerieten ebenfalls ins Straucheln. Es verschaffte ihnen Zeit und Gelegenheit zu einem Gegenangriff, mehr nicht, doch Martin ergriff die Chance beim Schopf und noch ehe die Oger ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatten, grub sich die Schneide seiner Axt in ihre Körper. Aber auch er war erschöpft und schwang seine Waffe nicht mehr so zielsicher.
Tristan war schwindlig, als er wieder aufstand, er brauchte das Schwert als Stütze, um nicht wieder in die Knie zu brechen. Er hörte Schritte hinter sich, die nahenden Verbündeten. Vor ihm kam einer der Oger wieder auf die Beine, hob grunzend sein Schwert und schlug zu. Mit einer fahrigen Bewegung konnte Tristan die Waffe zwar abwehren, torkelte dabei aber vorwärts und der Oger nutzte das. Statt eines neuen Schlages benutzte er das Stilett an der Unterseite seines Säbelgriffs. Tristan war zu überrascht, um auszuweichen, und so bohrte sich ihm die schlanke Klinge zwischen die Rippen.
Der auflodernde Schmerz und der damit verbundene Adrenalinschub trieben ihm die Müdigkeit aus den Gliedern. Mit einem Aufschrei sprang er zurück und schlug selbst zu, doch die Bewegung verstärkte den Schmerz nur noch und er spürte einen Schwall von Blut über seine Seite laufen. »Heilzauber«, schoss es ihm durch den Kopf, aber schon kehrten Schwindel und Benommenheit zurück, das Schwert entglitt seiner schlaffen Hand und er sackte in die Knie.
Was um ihn herum vorging, nahm er kaum noch wahr. Martin wurde von einem Oger zur Seite geschleudert, zwei weitere sprangen an Tristan vorbei und trieben die herannahenden Paladjur zurück. Doch der Oger, der Tristan niedergestochen hatte, griff nicht weiter
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