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Verschollen

Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Benne
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und bedeutete ihnen mit erhobener Hand, es ihr gleichzutun. Sie legte eines ihrer großen Ohren auf den Boden und lauschte, erhob sich dann hastig und winkte. »Oger nah! Licht aus!« Sie zeigte auf Tristans Leuchtkugel, die ihnen den Weg beleuchtet hatte.
    Obwohl noch eine zweite von Jessica hinter ihnen schwebte, zögerte Tristan. »Wenn ich die Kugel lösche, können wir nichts mehr …«
    Er verstummte abrupt, als Rani einmal blinzelte und plötzlich statt ihrer dunklen, kleinen Augäpfel, zwei glühende Kohlen in ihren Augenhöhlen zu sitzen schienen. Tristan hatte sich schon oft gefragt, wie die Gnomin sich allein in den Tunneln zurechtfand, wenn sie ohne Licht vorausging. Hastig ließ er seine Kugel verlöschen.
    Sie liefen vorsichtig hinter Rani her, deren Augen ein leichtes Glimmen aussandten, das gerade ausreichte, um die Hand vor Augen zu sehen. Es war zum Glück nicht mehr weit bis zu dem Tunnel, zu dem die Gnomin sie hatte führen wollen, denn mit nur noch einer Leuchtkugel, die Jessica weit hinter ihnen herschweben ließ, mussten sie die ganze Zeit auf den Boden vor sich achten, um nicht zu stolpern. Rani deutete auf ein gähnendes schwarzes Loch in der Tunnelwand. Es war eher ein Schacht als ein Tunnel, knapp über dem Boden und höchstens einen halben Meter breit. Rani winkte hektisch, dass sie hineinkriechen sollten. »Schnell«, flüsterte sie eindringlich.
    Sie mussten sich auf alle Viere begeben und die Köpfe einziehen, um überhaupt in den Schacht zu passen. Deshalb dauerte es lange, bis sie alle hineingekrochen waren – so lange, dass man die Oger schon kommen hörte, als Tristan sich in den Schacht zwängte. Hinter ihm folgten nur noch Jessica und Rani, dann löschte Jessica ihre Leuchtkugel und Rani verwandelte ihre Augen wieder, sodass sie in völliger Finsternis auf den Bäuchen lagen.
    Der Boden vibrierte unter den Füßen der näherkommenden Oger. Wie viele mochten es wohl sein, fragte sich Tristan. Und was, wenn sie sie doch bemerkten? Der Schacht war zwar zu eng für einen Oger, aber wenn sie den Ausgang zum Einsturz brachten, dann …? Tristan schluckte. Er fühlte panische Angst in sich aufkommen und versuchte sich durch tiefes Atmen wieder zu beruhigen. Als ihm das eben gelingen wollte, spürte er etwas über sein Bein krabbeln. Der Gedanke, es könnte eine Spinne sein, ließ ihm alle Haare zu Berge stehen und er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht wild loszustrampeln, damit, was auch immer da krabbelte, von seinem Bein verschwand.
    Jetzt konnte man die Oger grölen hören, und obwohl der Felsboden, auf dem Tristan lag, eiskalt war, brach ihm der Schweiß aus und er begann zu zittern. Er war einer Panik nahe, die Enge, die Gefahr, das krabbelnde Etwas auf seinem Bein … Da legte sich eine Hand warm und beruhigend auf seine zitternde Wade.
    Kleine Steinchen kullerten den leicht abschüssigen Schacht hinab, als die Oger donnernd vorbeimarschierten. Staub wurde aufgewirbelt und Tristan atmete durch die Nase, um nicht husten zu müssen. Dann endlich ließ der Lärm nach, das Zittern des Bodens wurde schwächer, und nachdem sie noch eine kurze Weile ausgeharrt hatten, glommen Ranis Augen wieder auf und die Gnomin kletterte ins Freie.
    Tristan musste sich beherrschen, um nicht zu drängeln, und die Erleichterung, die er empfand, als er sich im Tunnel aufrichtete, war riesengroß. Hastig strich er sich über die Beine, um das Krabbeltier loszuwerden, doch er bemerkte nichts, obwohl Jessica schon wieder eine schwache Leuchtkugel beschworen hatte. Allmählich verlangsamte sich sein Puls.
    Tiana kam nach ihm aus dem Schacht gekrochen, klopfte sich den Staub aus den Kleidern und sah besorgt zu Tristan hinüber. Sie trat zu ihm und berührte ihn sanft am Arm. »Bist du in Ordnung?«
    Tristan wollte nicken, aber statt dessen umarmte er sie spontan und vergrub sein Gesicht an ihrer Schulter. Er atmete schwer und kämpfte mit den Tränen. Es war nicht einfach, sich das einzugestehen, aber er war mit den Nerven am Ende. Die Angst um seinen Vater, der Tod von Simiur, die Dunkelheit, die Enge, die ständige Gefahr und dann auch noch die Ablehnung durch Tiana. Doch vielleicht war es damit nun vorbei? Sie erwiderte seine Umarmung und strich ihm sanft über den Rücken.
    »Das war verdammt knapp«, brummte Martin.
    »Das kann man wohl sagen«, pflichtete Jessica ihm bei. »Wie weit ist es noch bis zum Verlies, Rani?«
    »Weit nicht, kein Stundenglas.«
    »Gut, dann machen wir uns sofort wieder

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