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Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Smedberg
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kurzes Lachen aus.
    »Ich bezweifle, dass er sich heute noch so gut erinnert wie damals!«
    »Sie glauben ihm also nicht?«
    »Mit dem Glauben ist das so eine Sache... Sehen Sie es doch mal so. Westling war wohl einer von denen, die es am härtesten erwischte, als das Gerede losging. Er war der nächste Nachbar. Er hat sie zuletzt gesehen. Außerdem war er Witwer und wohnte alleine. Es gab einige, die auf ihn gewettet haben. Und es noch immer tun. Das hat seitdem in ihm gearbeitet und genagt.«
    John Nielsen nickte.
    »Obwohl seine Aussage doch gut zu Ihrer Theorie passt, dass es jemand war, den sie treffen wollte, auf den sie gewartet hat?«
    »Vielleicht. Auf der anderen Seite macht sich Einar Westling damit selbst auch verdächtig. Er war jemand, den sie gut kannte. Keiner, bei dem sie gezögert hätte, wenn er sie zu sich gerufen hätte.«
    »Dann glauben Sie also, dass an dem Gerede etwas dran ist?«
    Olle Ivarsson winkte ab.
    »Nein. Ich meine nur, dass eine Vermutung so gut ist wie die nächste. Und vielleicht sollte man endlich aufhören mit dem Herumspekulieren. Es reicht jetzt. Oder was meinen Sie?«
    Bereits am Abend begriff Nielsen, dass er nicht hätte bleiben sollen, sich nicht hätte überreden lassen sollen.
    Er wanderte im Haus umher. Vom Wohnzimmer, in dem sich Olle Ivarsson vor dem Fernseher platziert hatte, ging er hinaus in die Küche und starrte aus dem Fenster auf die menschenleere Straße. Dann kehrte er ins Wohnzimmer zurück und blieb mitten im Raum stehen, verfolgte die Bilder auf dem Fernsehapparat, ohne sich auf deren Inhalt konzentrieren zu können. Er war unruhig. In seinem Körper wuchs Unbehagen.
    Der Polizist - mittlerweile mit einem Trainingsanzug bekleidet, der nach Achtzigern und Campingplatz schrie - warf ihm einen irritierten Blick zu. »Könnten Sie vielleicht so freundlich sein und sich für einen Moment hinsetzen? Oder ist das zu viel verlangt?«
    Er zuckte mit den Achseln, ohne zu antworten. Dann ging er wieder in die Küche und trat ans Fenster. Er fühlte sich eingesperrt, bewacht. Diese Enge irritierte ihn, machte ihn wütend. Er hätte es sich denken können, er wusste, dass es ihm immer schwerer fiel, damit zurechtzukommen, wenn jemand zu nahe an ihm dran war, wenn er gezwungen war, sich jemandem anzupassen.
    In der dunklen Fensterscheibe sah er Ivarssons regungsloses Spiegelbild vor dem Bildschirm. Der Trainingsanzug ließ ihn dünner und älter aussehen. Ein einsamer Greis vor der Flimmerkiste. Nielsen hob den Blick und ließ ihn über die Ortschaft schweifen. Von diesen gab es hier sicherlich einige, dachte er. Einsame Männer in einsamen Häusern, die auf das Flimmern ihrer Bildschirme starrten.
    Oder er irrte sich, setzte er seinen Gedanken fort. Möglicherweise führte man ein reiches Leben hier oben, die Alten wie die Jungen. Er wusste es nicht. Er wusste eigentlich nichts über das Leben hier.
    Er starrte weiter in die Dunkelheit, konnte die bewaldeten Hügel dort draußen erahnen. Ein Berg neben dem nächsten. Struppige Konturen unter einem tiefen Himmel. Er schüttelte sich missmutig. Nein, das war nicht seine Landschaft. Wie viele Wochen würde es wohl dauern, ehe er hier vollkommen verrückt geworden wäre? Ehe er sich in Grund und Boden gesoffen hätte und vor einem Supermarkt, vor Ica oder Konsum, halb nackt und grölend aufgetaucht wäre. Oder einfach in einem der Kiefernwälder verschwunden wäre, die sich entlang dieser Straßen ausbreiteten und vermutlich nirgendwohin führten... Das Bild von Anna-Greta Sjödin tauchte vor ihm auf. Wie sie vor ihrem Elternhaus stand, der Blick dem Auto folgend, das die Straße hinunter verschwand. Die steinerne Villa über ihr, dunkel, etwas Unheil verkündend, wie sie sich da an den Hang zu klammern schien. Und Westlings Haus auf der anderen Straßenseite, das Küchenfenster verlassen, da der Besitzer - wahrscheinlich - schon wieder zu Bett gegangen war.
    Was war dann geschehen? War sie stehen geblieben und jemand war aufgetaucht und hatte sie gerufen? Jemand, den sie kannte und den sie überrascht grüßte? Oder war sie an Westlings Haus vorbeigegangen, zum Waldweg, wo sie bereits jemand erwartete?
    Er kehrte zurück ins Wohnzimmer, sank ins Sofa und schielte auf den Bildschirm, wo man beim Wetter angelangt war.
    »Sie haben nicht zufällig etwas zu trinken im Haus?«, fragte er.
    Ivarsson winkte abwehrend mit der Hand, während er gespannt der Wettervorhersage folgte, als würde es sich dabei um die Auflösung einer

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