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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Jonathan würde einen Zeugen der Verteidigung vernehmen.
    »Als Sie an den Tatort kamen, lag der Leichnam leicht verrenkt da, stimmt das, Detective?«
    »Ja.«
    »Die Position des Körpers war verändert worden, auf diese Weise könnte Spurenmaterial verloren gegangen sein. Die Position eines Leichnams lässt oft Rückschlüsse auf den Angriff zu, nicht wahr?«
    »Das stimmt.«
    »Und wenn ein toter Körper umgedreht wird, dann fließt das Blut in die entgegengesetzte Richtung, und so lassen sich aus den Leichenflecken keine zuverlässigen Rückschlüsse ziehen. Das ist ein bisschen so, als wenn man eine Sanduhr umdreht.«
    »Das stimmt, aber ich bin kein Forensikexperte.«
    »Schon, aber Sie arbeiten bei der Mordkommission.«
    »Das stimmt.«
    »Und man kann generell behaupten, dass Beweismaterial verloren geht, wenn die Position eines Leichnams am Tatort verändert wird.«
    »Das stimmt im Allgemeinen, auch wenn man in diesem Fall nicht wissen kann, ob tatsächlich etwas verloren ging.«
    »Wurde die Tatwaffe aufgefunden?«
    »Nein, an diesem Tag nicht.«
    »Irgendwann später?«
    »Nein.«
    »Und von dem Fingerabdruck am Sweatshirt des Opfers abgesehen, gab es keine Spur, die zu dem Angeklagten führte?«
    »Das stimmt.«
    »Und diesen Fingerabdruck hat man erst später identifiziert?«
    »Ja.«
    »Also gab es am Tatort an jenem ersten Ermittlungstag keine konkreten Hinweise auf einen bestimmten Verdächtigen?«
    »Nein. Nur den Fingerabdruck.«
    »Also kann man behaupten, dass Sie bei Ermittlungsbeginn keinerlei Verdächtige hatten?«
    »Ja.«
    »Ist es in dieser Situation nicht von Relevanz, dass in der Nähe des Parks ein Mann lebte, der dem Gesetz als Pädophiler bekannt war? Ein Mann mit einem eindeutigen Strafregister?«
    »Doch.«
    Ich fühlte die Blicke der Geschworenen, denen dämmerte, worauf Jonathan hinauswollte und dass es ihm nicht um ein harmloses Frage- und Antwortspiel ging.
    »Sie fanden es also nicht ungewöhnlich, dass Andy Barber, der Vater des Angeklagten, seine Aufmerksamkeit bei den Ermittlungen auf Leonard Patz richtete?«
    »Nein.«
    »Nach dem, was Sie damals wussten, wäre es geradezu nachlässig gewesen, nicht gegen diesen Mann zu ermitteln, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Und im Laufe der Nachforschungen erfuhren Sie dann, dass Patz morgens in dem Park gerne spazieren ging, nicht wahr?«
    »Das stimmt.«
    »Einspruch.« Logiudices Stimme klang nicht sehr überzeugt.
    »Einspruch abgelehnt.« Die Stimme des Richters klang dagegen überzeugt. »Weiter so, Herr Rechtsanwalt.«
    Mir hatte die Tendenz von Richter French, seinen Sympathien eindeutig Ausdruck zu verleihen, bislang immer missfallen. Üblicherweise galten sie der Verteidigung. Jetzt freute es mich natürlich, dass er uns so offen ermutigte. Es war allerdings ein Leichtes für ihn, denn Logiudice selbst hatte dieses Thema zur Sprache gebracht und konnte jetzt die Verteidigung nicht gut davon abhalten, es zu ihrem Vorteil auszuschlachten.
    Ich winkte Jonathan zu, und er kam und nahm von mir ein Stück Papier entgegen, auf das ich drei Fragen geschrieben hatte. Als er sie las, hob er die Augenbrauen, dann faltete er das Papier ordentlich zusammen und ging auf den Zeugenstand zu.
    »Sind Sie während der Ermittlungen jemals anderer Meinung gewesen als Andy Barber?«
    »Nein.«
    »Und zu Anfang wollten auch Sie die Ermittlungen gegen Patz fortführen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    Einer der Geschworenen, der fette Typ aus Somerville auf Platz Nummer sieben, schnaubte und schüttelte den Kopf.
    Jonathan war diese Reaktion nicht entgangen, und er wollte sich schon setzen.
    Ich warf ihm einen Blick zu, der besagte: Mach weiter .
    Er runzelte die Stirn. Außer in Fernsehshows legt man es beim Kreuzverhör nicht auf den entscheidenden Schlag an. Man sammelt Punkte und setzt sich dann wieder an seinen Platz. Denn die Macht liegt beim Zeugen, nicht bei den Anwälten. Außerdem vermeidet man subjektive, unspezifische Fragen, auf die Zeugen unter Umständen mit endlosen, unvorhersehbaren Äußerungen antworten könnten. Diese Art von Fragen ist für erfahrene Anwälte ein Tabu.
    Doch in diesem Fall insistierte ich.
    »Ich weiß, die folgende Frage ist für Sie nicht einfach zu beantworten, und ich bitte Sie nicht um Ihr persönliches Urteil zum Angeklagten. Mir ist klar, dass ich damit in Ihre Arbeit eingreife. Doch würde ich gerne etwas über den Vater des Angeklagten, Andy Barber, dessen Urteilsvermögen und professionelle Integrität infrage

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