Verschwiegen: Thriller (German Edition)
überhaupt noch Telefonzellen? Nur in Gefängnissen.
»Wer ist der Anrufer?«
»Bill Barber.«
»Du lieber Gott. Nein, ich nehme den Anruf nicht an. Oder doch, warten Sie einen Augenblick.« Ich presste den Hörer gegen meine Brust, so als ob mein Herz dann direkt zu ihm sprechen könnte. »Okay, ich übernehme die Gebühren.«
»Vielen Dank. Bitte legen Sie nicht auf, ich verbinde. Einen schönen Tag.«
Es knackte.
»Hallo?«
»Was willst du?«
»Was ich will? Ich dachte, du kämest mich wieder mal besuchen.«
»Ich war ziemlich beschäftigt.«
»Oh, ich war ziemlich beschäftigt «, äffte er mich nach. »Entspann dich. Glaubst du, das hab ich ernst gemeint, du Blödmann? Was glaubst du denn? Dass ich dich auf eine Bootstour einladen will? Genau, ich lade dich zum Fischen ein.« Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, wahrscheinlich war es Gefängnisslang. Er fand seinen Witz auf jeden Fall sehr komisch und brüllte mir sein Lachen ins Ohr.
»Mein Gott, quatschst du viel.«
»Kann schon sein, ich habe hier niemanden zum Reden. Mein Sohn besucht mich ja nie.«
»Wolltest du irgendwas Bestimmtes? Oder nur meine Stimme hören?«
»Ich wollte wissen, wie der Prozess läuft.«
»Was geht dich das an?«
»Er ist mein Enkel, ich will es wissen.«
»Die meiste Zeit deines Lebens hast du nicht einmal seinen Namen gekannt.«
»Und an wem lag das?«
»An dir.«
»Klar, das denkst du.«
Schweigen.
»Ich hab gehört, wie heute vor Gericht mein Name erwähnt wurde. Wir verfolgen hier alles mit. Ist ’ne richtige Erfolgsserie.«
»Stimmt. Siehst du, du lässt deine Familie selbst vom Gefängnis aus nicht in Ruhe.«
»Mach dir nicht ins Hemd, Kleiner, dein Junge kommt frei.«
»Ach, meinst du? Du bildest dir wohl ein, du wärst ein Staranwalt, Mister Lebenslänglich?«
»Ich bin nicht von gestern.«
»Nein, du bist nicht von gestern. Weißt du, was? Tu mir einen Gefallen, und ruf hier nicht mehr an, um mir was über Gerichtsverfahren zu erzählen. Ich hab schon einen Anwalt.«
»Niemand erzählt dir hier was über Gerichtsverfahren, Kleiner. Aber wenn dein Anwalt was davon murmelt, mich als Zeugen vorzuladen, dann geht mich das was an.«
»Das kannst du vergessen. Du als Zeuge, das hat uns gerade noch gefehlt. Das ergäbe dann eine Riesenshow.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Ja, haben wir.«
»Und die wäre?«
»Wir lassen uns auf die Anklage nicht ein und den Staatsanwalt die ganze Arbeit machen. Sie haben … warum erzähle ich das überhaupt?«
»Weil du es möchtest. Wenn ein Sohn am Ende ist, braucht er seinen Vater.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Nein! Ich bin dein Vater!«
»Nein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Und wer ist dann dein Vater?«
»Ich.«
»Du hast keinen Vater? Bist du ein Baum oder so was?«
»Genau so ist es. Ich habe keinen Vater, und ich brauche auch keinen.«
»Jeder braucht einen Vater, jeder. Und du brauchst mich mehr als je zuvor. Wie willst du sonst diese Idee von dem ›unwiderstehlichen Drang‹ belegen?«
»Die brauchen wir nicht mehr.«
»Nein? Und warum nicht?«
»Weil Logiudice keine Beweise hat. Das ist doch offensichtlich. Und unsere Verteidigung lautet in einem Satz: Jacob war’s nicht.«
»Und was, wenn sich daran was ändert?«
»Wird es nicht.«
»Und warum bist du dann hergekommen und hast meine Spucke abgeholt? Was sollte das alles?«
»Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen.«
»Ach ja. Jacob war’s nicht, aber falls er’s doch war, oder so ähnlich.«
»So ähnlich.«
»Und was soll ich deinem Anwalt nach aussagen?«
»Du sollst gar nichts aussagen. Er hätte heute vor Gericht seinen Mund halten sollen. Das war ein Fehler. Er wollte wahrscheinlich, dass du aussagst, dass du keinen Kontakt mit deinem Enkel hattest. Aber ich hab’s dir schon gesagt, du bleibst dem Gerichtssaal fern.«
»Da hat dein Anwalt ein Wörtchen mitzureden.«
»Jetzt hör mir gut zu, Bloody Billy, denn ich sag’s dir zum letzten Mal: Für mich bist du tot. Du bist nichts als ein Albtraum aus meiner Kindheit.«
»Hey, mein Kleiner, willst du mir wehtun? Dann tritt mir in die Eier.«
»Was soll das heißen?«
»Du kannst mich beschimpfen, so viel du willst. Das lässt mich eiskalt. Egal, was du sagst, Jacob ist mein Enkel. Dagegen kannst du nichts machen, das kannst du abstreiten, so viel du willst, und behaupten, dass ich nicht existiere. Egal. An der Wahrheit ändert das überhaupt nichts.«
Ich fühlte mich plötzlich schwach auf den Beinen und
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