Verschwiegen: Thriller (German Edition)
es nicht um Patz.
Es war schon später Nachmittag, als Logiudice mich zu diesem kleinen und harmlosen Meineid zwang. Ich hatte den ganzen Tag lang vor Gericht ausgesagt und war ausgelaugt. Es war April, und die Tage fingen an, länger zu werden. Draußen brach gerade die Dämmerung an, als ich sagte: »Ich kenne ihn nicht.«
Da musste Logiudice bereits begriffen haben, dass er seinen Ruf nicht wiederherstellen konnte, und schon gar nicht, indem er um meine Hilfe bat. Kurz danach hat er sein Amt als Staatsanwalt niedergelegt und arbeitet jetzt als Verteidiger in Boston. Er ist ein guter Anwalt, da bin ich sicher. Doch einstweilen tröste ich mich mit der Erinnerung an ihn, wie er vor den Geschworenen steht und verbissen weiterfragt, während die Anklage und mit ihr seine Karriere wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt. Mir gefällt der Gedanke, dass ich meinem einstigen Schüler damals die letzte Lektion erteilte: Es ist das Dilemma des Ermittlers, Neal. Nach einer Weile gewöhnt man sich daran.
Neununddreißigstes Kapitel
Ein Paradies
Und man stellt fest, dass man sich eigentlich an alles gewöhnen kann. Was an einem Tag unmöglich und schockierend erscheinen mag, wird mit der Zeit zur Normalität und ist nicht weiter bemerkenswert.
Nach ein paar Monaten verblasste der Schock von Jacobs Prozess. Wir hatten alles getan, was wir konnten. Wir hatten diese groteske Erfahrung, mit der unser Name auf immer verbunden sein würde, hinter uns gebracht. Nach unserem Tod würde man in den Nachrufen bereits in der ersten Zeile darauf verweisen. Und der Prozess hatte unsere Sicht auf die Welt in einer Weise verändert, die wir noch gar nicht ermessen konnten. Das alles wurde zu einem Teil unseres Alltags, und wir verloren kein Wort darüber. Und währenddessen, während wir uns allmählich an unseren neuen Ruf gewöhnten und nach vorne sahen und die Vergangenheit hinter uns ließen, begann unser Familienleben wieder in Schwung zu kommen.
Laurie war die Erste von uns, die wieder zu neuem Leben erwachte. Sie erneuerte ihre Freundschaft mit Toby Lanzman. Toby war uns während des Prozesses aus dem Weg gegangen, aber sie war die Erste aus unserem Freundeskreis in Newton, die den Kontakt mit uns wiederaufnahm. Sie war immer noch so fit und bestimmt wie einst, hatte immer noch das magere Gesicht einer Langstreckenläuferin und den gleichen durchtrainierten Körper, und sie begann, mit Laurie zu trainieren. Die beiden liefen stundenlang an der Commonwealth Avenue durch die Kälte. Laurie wollte widerstandsfähiger werden, sagte sie. Und schon bald begann Laurie, auch ohne Tobys Hilfe hart an sich zu arbeiten. Mitten im Winter kam sie von immer längeren Läufen zurück, mit hochrotem Kopf und schweißnass: »Ich muss kräftiger werden.«
Laurie nahm wieder ihre alte Führungsrolle in der Familie ein und wollte auch mich und Jacob in Gang bringen. Sie bereitete wahre Frühstücksorgien mit Waffeln, Omeletts und Haferbrei. Und weil wir ja zu keiner Arbeit davoneilen mussten, verbrachten wir unsere Zeit mit Zeitunglesen – Jacob auf seinem MacBook, Laurie und ich mit der gedruckten Version von Times und Globe . Sie organisierte Filmabende für die Familie, und ich durfte mir sogar meine heiß geliebten Gangsterfilme aussuchen. Und sie drückte dann wohlwollend ein Auge zu, wenn Jacob und ich immer wieder unsere Lieblingszitate austauschten. Ihrer Meinung nach klang ich wie Elmer Fudd, wenn ich Marlon Brando nachahmen wollte. Und weil Jacob der Name Elmer Fudd nichts sagte, schauten wir auf YouTube nach. Es klang immer noch merkwürdig in unseren Ohren, wenn wir lachten.
Aber weil das alles immer noch nicht recht helfen wollte und Jacob und ich die düstere Erfahrung des letzten Jahres nicht abschütteln konnten, beschloss Laurie, dass es Zeit für stärkeren Tobak war.
»Warum verreisen wir nicht ein bisschen?«, fragte sie mit fröhlicher Stimme eines Abends beim Abendessen.
Es war eine von diesen Ideen, die eigentlich ganz offensichtlich sind, einem aber trotzdem wie eine Offenbarung erscheinen. Klar! Sie hatte ihre Frage noch nicht beendet, da wussten wir schon, dass das natürlich genau das Richtige für uns war. Warum hatten wir eigentlich so lange gebraucht, um genau darauf zu kommen? Allein schon der Gedanke ließ uns ganz schwindelig werden vor Glück.
»Eine brillante Idee!«, antwortete ich. »Da kommen wir endlich auf andere Gedanken.«
»Wir fangen von vorne an«, fügte Jacob hinzu.
Laurie schüttelte ihre
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