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Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Verschwiegen: Thriller (German Edition)

Titel: Verschwiegen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Landay
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Oder dir. Vergiss das nicht.«
    »Ich glaube, ich weiß, warum wir hier sind, Andy. Mach dir keine Gedanken. Ich weiß genau, warum wir hier sind.«
    »Ach ja? So hört sich das bei dir nicht an.«
    »Hör auf, mich zu belehren, Andy.«
    »Warten Sie. Ich möchte etwas klarstellen«, unterbrach Dr. Vogel. »Diesen Auftrag hier hat mir die Verteidigung erteilt, Andy. Ich arbeite für Sie. Es gibt keinen Grund, mir etwas zu verheimlichen. Ich stehe auf Jacobs Seite. Meine Erkenntnisse sollen Ihrem Sohn helfen. Ich werde Jonathan meinen Bericht schicken, und dann können Sie entscheiden, was Sie damit machen wollen. Das ist ganz und gar Ihre Entscheidung.«
    »Und was, wenn er im Müll landet?«
    »Kein Problem. Diese Unterhaltung ist vertraulich, das ist wichtig. Es gibt keinen Grund zur Zurückhaltung. Sie müssen in diesem Raum Ihren Sohn nicht verteidigen. Ich möchte lediglich die Wahrheit über ihn herausfinden.«
    Ich setzte ein mürrisches Gesicht auf. Die Wahrheit über Jacob. Wer konnte die schon wissen? Was war die Wahrheit über jeden von uns?
    »Gut«, meinte Dr. Vogel. »Sie haben Jacob als Kleinkind beschrieben, Laurie. Ich würde gerne noch mehr darüber erfahren.«
    »Als er ungefähr zwei war, haben sich andere Kinder oft verletzt, wenn Jacob in der Nähe war.«
    Ich warf Laurie einen wütenden Blick zu. Ihr war offenbar nicht klar, wie gefährlich Offenheit mitunter sein konnte.
    Doch Laurie erwiderte meinen Blick ebenso wütend. Ich weiß nicht genau, was in ihrem Kopf vorging. Seit jener Nacht, in der ich ihr mein Geständnis gemacht hatte, sprachen wir nicht mehr so oft und offen miteinander. Zwischen uns hatte sich ein dünner Vorhang herabgesenkt. Sie hatte keine Lust auf juristischen Rat, so viel war klar. Sie wollte sagen, was ihr richtig erschien.
    »Es kam mehrere Male vor«, erläuterte sie. »Einmal, in der Kinderkrippe, kletterte er auf einem Spielgerüst herum, und ein anderer Junge fiel herunter. Er musste genäht werden. Dann fiel ein Mädchen vom Klettergerüst und brach sich den Arm. Ein anderer Junge raste auf seinem Dreirad einen steilen Berg hinunter, auch er musste genäht werden. Er behauptete, Jacob hätte ihn geschubst.«
    »Wie oft kam so etwas vor?«
    »Eigentlich jedes Jahr. Damals sagten uns Jacobs Erzieher in der Kinderkrippe, dass sie ihn nicht aus den Augen lassen dürften, er sei einfach zu wild. Ich hatte eine Höllenangst, dass sie ihn aus der Krippe entlassen würden, wir waren darauf angewiesen, ich hab damals noch unterrichtet. Für alle anderen Krippen gab es lange Wartelisten. Hätte man Jacob hinausgeworfen, dann hätte ich meinen Job an den Nagel hängen müssen. Für alle Fälle hatten wir uns aber schon in eine der Wartelisten eingetragen.«
    »Du liebe Güte, Laurie, damals war er vier! Das liegt Jahre zurück! Wovon redest du eigentlich?«
    »Andy, Sie müssen Ihre Frau wirklich ausreden lassen, sonst funktioniert das hier nicht.«
    »Aber sie redet über eine Zeit, in der Jacob vier Jahre alt war.«
    »Ich verstehe, was Sie sagen wollen, Andy. Lassen Sie sie ausreden, und dann kommen Sie dran, okay? Gut, Laurie. Ich würde gerne wissen, was die anderen Kinder in der Krippe von ihm hielten.«
    »Die Kinder? Keine Ahnung. Jacob hatte sehr wenig Spielkameraden, also nehme ich an, dass er nicht besonders beliebt war.«
    »Und die Eltern?«
    »Ich bin sicher, dass sie nicht gerne sahen, wenn ihre Kinder mit ihm allein waren. Aber die Mütter haben mir gegenüber nie etwas erwähnt. Dafür waren wir alle zu nett. Man kritisierte die Kinder der anderen nicht. Das machen nette Leute nicht, höchstens hinter vorgehaltener Hand.«
    »Und Sie, Laurie? Wie schätzten Sie Jacobs Verhalten ein?«
    »Ich wusste, ich hatte ein schwieriges Kind. Wirklich. Mir war klar, dass er einige Verhaltensstörungen hatte. Er war ungestüm und ein bisschen zu rau und aggressiv.«
    »War er brutal?«
    »Nein, nicht wirklich. Er machte sich einfach keine Gedanken über die anderen Kinder und wie sie sich fühlen könnten.«
    »War er jähzornig?«
    »Nein.«
    »Bösartig?«
    »Bösartig. Nein, das ist nicht das richtige Wort. Er war … ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie sich ein anderes Kind fühlt, wenn er es fertigmacht … er war unbändig. Genau, das ist es: unbändig. Aber das sind viele Jungen. Damals haben wir immer wieder gesagt: Das machen viele Jungs durch, das ist so eine Phase, und das wird sich bei Jacob auswachsen.

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