Verschwörung beim Heurigen
umriss er das große Rund
des Verkostungsraums, wies auf die besetzten Tische und die umlagerte Bar. Die Stimmen summten wie bei einem großen Empfang,
aber sie wirkten gedämpft. Johanna schnappte nach Luft, fühlte sich beengt.
Sofort wurde ein Tisch geräumt, und während man sich setzte, kamen Gläser und Flaschenkühler auf den Tisch. Der Anwalt erklärte
Johanna, dass auch Thomas Thurn sich finanziell und ideell am Trainingszentrum beteiligen wolle und dass der Entwurf dazu
vom Architekten stamme, der auch die Kellerei entworfen habe. Derweil warf ihr Hansi immer wieder Besitzerblicke zu, als müsse
er den Tischgenossen signalisieren, dass sie seine Eroberung sei.
Es perlte an Johanna ab, ihr war etwas anderes wichtig. Der Winzer war nicht der Mann, für den er sich ausgab, das erkannte
sie schnell. In ihrem Geschäft, wo es um dauernde Gratwanderungen ging, brauchte sie diese Fähigkeit. Nicht dass er unsympathisch
gewesen wäre, durchaus nicht. Gekonnt spielte er den charmanten Gastgeber und den leicht versnobten Winzer. »Erfolg verdirbt,
gnädige Frau, und wir Österreicher träumen davon, verdorben zu werden.«
Zum Unterhalter wurde er erst, als der Anwalt ihn zu Wort kommen ließ. Und mit wenigen Fragen zum Projekt des Trainingszentrums
präsentierte er sich als Geschäftsmann mit Weitblick. Etwas in Johanna sträubte sich trotz dem |262| gegen ihn, und ihm schien es mit ihr ähnlich zu gehen. Die Spannung zwischen beiden wuchs, jeder würde den anderen irgendwann,
nicht jetzt und auch nicht bald, aus der Reserve locken, um zu sehen, was tatsächlich hinter der Fassade lauerte. Irrte Johanna
oder hatten sie sich gegenseitig durchschaut? Da saß sie zu ihrem Erstaunen jemandem gegenüber, der von Genuss sprach, von
der Schönheit der Landschaft, dem Hang des Menschen, sich auch im Weinbau zu vollenden, und dachte im Grunde nur an Macht.
Der Mann konnte ihr gefährlich werden, sie fühlte sich durchschaut und erinnerte sich auf einmal an das Foto von Maria Sandhofer
mit ihm an der Seite. In welcher Beziehung hatten die beiden zueinander gestanden? Falls jemand das Thema ansprechen würde,
konnte sie ihn fragen.
Thomas Thurn saß mit dem Rücken zum Licht, sein Gesicht blieb im Dunkeln, aber er konnte seine drei Gäste gut sehen, hinter
ihm loderte der Sonnenuntergang in verschwenderischem Rot und verschwommenem Violett. Darunter war ein Zipfel des Sees in
grauem Rosa zu sehen, und mit einem Mal ging Johanna das Geseire der Männer entsetzlich auf die Nerven. Auch der Arbeit ihres
gesamten Tages gegenüber empfand sie Abscheu. Am liebsten hätte sie Hansi bei der Hand genommen, wäre mit ihm zum See gefahren,
hätte aufgeriggt und wäre neben, vor oder hinter ihm, ganz egal, rausgefahren, um das alles zu vergessen. Sie war nicht bei
sich, ließ sich von ihrem Vorhaben abbringen, andere bestimmten, das Ziel verschwamm vor ihren Augen. Welches Vorhaben und
welches Ziel? Wenn sie das nicht einmal wusste, dann war Zeit zum Aufbruch.
Aber die Männer tranken, sie redeten sich stark, und je mehr sie tranken, desto stärker wurden sie. Thomas Thurn berichtete
von einem deutschen Fotografen aus Italien, der ihn zwecks Aufnahmen für ein bekanntes Weinmagazin aufgesucht und das Weingut
fotografiert hatte. Besonders hatte ihn der schöne silbergraue Lancia beeindruckt.
|263| Johanna erinnerte sich an den Wagen mit dem I auf der Heckklappe. »War der Fotograf allein?«
»Nein, ein Deutscher war dabei, ein ... «
»Und wie hieß der?«, unterbrach Johanna rasch. »Wissen Sie das noch?«
»Ein Herr Stuttgarten oder so ähnlich, von irgendeinem Weinclub.«
Das konnte nur Carl gewesen sein. »Nein, der Italiener, meine ich«, sagte sie, um Hansis Misstrauen vorzubeugen.
Thomas Thurn holte eine Visitenkarte aus der Tasche. »Gatow, Frank, Tenuta Vanzetti, Toskana. Kennen Sie ihn?«
»Nein«, und damit gab sie die Karte zurück, das Thema war beendet, Johanna wollte gehen. Aber die Männer tranken, waren eben
erst beim Rotwein angekommen und redeten über seine Fülle, seine Einzigartigkeit und darüber, wie großartig er gemacht sei,
besonders die Cuvée, und wie ausdrucksvoll Merlot in diesem
terroir
ausfalle. Beeindruckend, wie TT das alles gelinge, was er aus dem Betrieb gemacht habe, seit er ihn vom Vater – wie es dem
überhaupt ginge – übernommen habe und so weiter und so weiter.
Johanna langweilte sich. Die Unterschiede zwischen Blaufränkisch
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