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Verschwörung beim Heurigen

Titel: Verschwörung beim Heurigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Genugtuung erfüllte. Aber alles würde bald vorbei sein, seine Geschichte mit Maria, mit Johanna,
     der Urlaub   ... und dann? Eine neue Wohnung, andere Bücher zum Übersetzen, ein neues Leben, oder weiter das alte, nur in einsamen Bahnen?
    Er schob die Gedanken beiseite und zog sich um, schob eine kleine Flasche Wasser unter den Neopren-Anzug, richtete Surfbrett
     und Segel und probierte Fritz zuliebe die Gummischuhe an. Damit hatte er tatsächlich besseren Stand und fühlte nicht den Schlamm
     zwischen den Zehen aufquellen, was ihn ekelte. Er legte das Brett quer zum Wind, richtete die Spitze nach Südwesten, steckte
     das Schwert in den Schwertkasten, hockte sich aufs Brett und zog das Segel |347| hoch. Zuerst stand er ein bisschen wackelig, aber das ließ nach, sobald er Fahrt aufnahm. So leicht wie heute war er noch
     nie gestartet, und sein Lehrer schien zufrieden zu sein.
    Er blickte am Segel hinauf und weiter in den Himmel, über sich Schönwetterwolken, die Wind mitbrachten – oder war es umgekehrt?
     Sah hoch oben winzige Flugzeuge beim Anflug auf Wiens Flughafen Schwechat einen Bogen nach Westen einschlagen, und ließ sich
     vom Wind forttragen. Allmählich verstand er Johannas Begeisterung fürs Surfen, nein, er fühlte ihr nach, es war eine Ahnung
     dessen, was es ihr bedeutete: Vergessen, Leichtigkeit und Hingabe an die Wellen, an den Wind und Anpassung an die vorgegebene
     Richtung. Er fühlte sich mit den Elementen Wind und Wasser verbunden, musste auf sie reagieren, sich zu ihnen stellen, einen
     Fuß vor dem Mast, beide Hände am Gabelbaum, das Gewicht nach hinten verlagert. Heute genoss er das Surfen zum ersten Mal richtig,
     sah nicht eines dieser großartigen Fotos von Surfern in den Brandungswellen von Hawaii als Vorbild. Er musste nicht siegen,
     jedenfalls nicht auf dem Wasser. »Surfen & Siegen«–   SS, einerseits lächerlich, andererseits grauenvoll. Aber wahrscheinlich war er wieder der Einzige, der das so sah.
    Das Surfbrett bewegte sich mal glucksend, mal rauschend, es wurde schneller, der Wind war ablandig, kam vom Leithagebirge
     herunter und gewann an Kraft. Er blies stetig, mehr von hinten als von der Seite, und machte Carl das Steuern leicht. Heute
     erinnerte er sich an fast alles, was er bislang gelernt hatte, und vergaß die Zeit. Als er sich endlich darauf besann, dass
     er viel zu weit nach Osten gelangt war, luvte er an, was seine Geschwindigkeit beträchtlich erhöhte. So leicht und so schnell
     war er bislang noch nie vorangekommen. Es ging alles von alleine, er musste sich nur festhalten. Und ehe er sich versah, lag
     Podersdorf weit achteraus. Was zog ihn nach Norden, war es Mörbisch, war es Johanna?
    Er wollte noch ein wenig weiter. Drehte der Wind mehr nach Süden oder irrte er sich? Jedenfalls musste er höher an |348| den Wind, es wurde rauer, schwieriger, die Balance zu halten, er fuhr nicht mehr quer zu den Wellen, sondern nahm sie in einem
     spitzeren Winkel. Das Brett schwankte, entwickelte ein schwer kontrollierbares Eigenleben, und mit einem Mal lag er im Wasser.
     Wie würde das werden, wenn er zurückkreuzte? Er hätte sich nicht so weit vom Hafen entfernen dürfen, aber er würde es schaffen,
     und er kletterte wieder aufs Brett. Er ging härter an den Wind, nahm ihn in einem zu spitzen Winkel, was ihn wieder kentern
     und unter das Segel geraten ließ. Glücklicherweise konnte er stehen und kam leicht wieder aufs Brett. Er wendete, sofort verlor
     er das Gleichgewicht, und er klatschte erneut ins Wasser, stemmte sich wieder aufs Brett und versuchte es von neuem. Nach
     drei Versuchen gab er es auf und drehte das Brett in die entgegengesetzte Richtung. Wieder hatte er das Gefühl, dass der Wind
     drehte, wieder musste er gegenan. Er merkte, wie er nach Südosten abgetrieben wurde, und hatte das verdammte Gefühl, nichts
     dagegen tun zu können. Wäre er bloß vor dem Hafen geblieben!
    Er trieb langsam auf den Schilfgürtel zu, eine dichte, undurchdringliche Wand. Er rief und winkte weit entfernten Surfern
     zu, die ignorierten seine kindischen Signale oder winkten freundlich zurück. In seiner Verzweiflung verkrampfte er sich, kenterte
     immer wieder, und seine gute Laune verflüchtigte sich in gleichem Maß, wie sein Mut sank. Der Schilfgürtel sah wenig ermutigend
     aus, denn soweit er wusste, begann hier der Nationalpark. Im Schilf sollte es Wild geben; an der Grenze zwischen Schilf und
     Wasser weideten Wasserbüffel, um die man besser einen Bogen

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