Verschwoerung der Frauen
riesigen Häuser, die vielen Dienstboten, die Rosen und Hortensien, die nur in diesem Klima gediehen. Ganz zufällig war ich auf das Buch von Peggy Guggenheim gestoßen, und es brachte mir jene himmlischen Sommer zurück. Nur einer Guggenheim konnten sie öde vorkommen. Für mich waren sie das süße Leben, und wann immer das süße Leben heraufbeschworen wird, ob durch Cole Porter an der Riviera oder die Kennedys in Hyannis Port – noch heute, mit meinem erwachsenen und nüchternen Verstand, kommen mir dann die Bilder der New-Jersey-Küste aus den Tagen vor und während des Zweiten Weltkriegs vor Augen.
Ich glaube, als wir, Dorinda und ich, uns kennenlernten, sah sie in mir eine Herausforderung. Wir waren zwölf Jahre alt. Man hatte meiner Mutter erlaubt, mich mitzubringen, solange sie für Dorindas Mutter arbeitete. Ich war ganz das typische Kind eines gehobenen Dienstboten: ruhig, unaufdringlich, vorsichtig – und voller Sehnsüchte. Aber Dorinda, die immer auf der Suche nach neuen Abenteuern und neu zu entdeckenden Welten war, riß mich an sich, befahl mir, sie zum Strandclub zu begleiten, zum Tennisplatz, zu den Reit-ställen. Sie schenkte mir ihre Kleider, ihren Enthusiasmus und ihre leidenschaftliche Zuneigung. Das größte Wunder war jedoch, daß ihr spontaner Überschwang für mich in eine Loyalität überging, die nie ins Wanken kam. Vorerst zeigte sie sich vor allem darin, daß auch nach Nellies Ankunft Dorinda weiter die Großzügigkeit ihrer Eltern strapazierte und sie dazu brachte, mir alle möglichen Wünsche zu erfüllen, die ich ihrer Meinung nach hatte.
Mit der Zeit wurde mir klar, daß meine Mutter, der das Leben hart mitgespielt hatte, von Dorindas Beständigkeit und Treue frust-riert war. Dorinda strafte all die Lehren, die sie mir hatte erteilen wollen, Lügen: daß Freunde einen verraten, auf die Reichen kein Verlaß ist und überall Katastrophen lauern. Derartige Lektionen hörte ich nicht nur ständig von meiner Mutter, sondern auch von 28
ihren vier Schwestern, für die das ganze Leben darin bestand, Katastrophen abzuwenden. Für sie wollte das Leben nicht gelebt oder gar erfahren werden, sondern überlistet.
Nur drei meiner Tanten behelligten mich mit ihren Predigten, die vierte war mit einem verheirateten Mann durchgebrannt und wagte nicht mehr, sich zu zeigen. Anstand ging über alles. Als ich während meiner Collegezeit George Eliots ›Die Mühle am Floss‹ las, erkannte ich in Maggie Tullivers Tanten meine eigenen Verwandten wieder; aber im Gegensatz zu Maggies Mutter war meine nicht schwach. Sie war die älteste und stärkste von allen. Die vier Schwestern bildeten so etwas wie ein Matriarchat, was zweifellos auf den Einfluß ihrer Mutter zurückging, einer außergewöhnlich starken und schönen Frau. Abgesehen von seiner unentbehrlichen Rolle als Eibefruchter –
hätte ich den Ausdruck damals gekannt, ich hätte bestimmt schon in meiner Jugend behauptet, diese Frauen seien das Resultat einer Parthenogenese –, spielte der Vater keine Rolle im Familiendrama.
Meine Großmutter hatte früh erkannt, daß sich seine Talente im Trinken und Geld verschwenden erschöpften. Sie überließ ihn seinen Lastern und brachte ihre Töchter allein durch.
Die drei allgegenwärtigen Schwestern – ich sah sie nie als meine Tanten, sondern stets nur als die Schwestern meiner Mutter, einen Teil von ihr oder eine Art Hintergrundchor, der ihre Lebensweishei-ten wiederholte – waren verheiratet mit Männern, die so gut verdien-ten, daß sich die Frauen hübsche Kleider, ordentliche Anstreicher und Ferien leisten konnten. Wozu meine Tanten Ferien brauchten, blieb mir immer ein Rätsel, da sie Hausmädchen hatten und das ganze Jahr über absolut nichts taten. Als sie zu gebührender Zeit alle drei je zwei Kinder produzierten, gab es ein »Mädchen«, das die Kinder versorgte. Die Tatsache, daß meine Mutter eine Art Dienstbote war, wurde geflissentlich übersehen, denn meine Mutter war so sehr die dominierende Figur in ihrem Leben, daß sie ohne sie hand-lungsunfähig waren. Den Freundinnen wurden Lügen über die Arbeit meiner Mutter erzählt – vielleicht aber nicht nur, weil es ihnen peinlich war, sondern auch, weil sie wußten, daß es in der Welt, in der meine Mutter sich bewegte, keine »Mädchen« für die Kinder gab, sondern »Nannies« (oft, wie Peggy Guggenheim schrieb, eine für jedes Kind) und später Gouvernanten. Als ich Dorinda kennenlernte, hatte sie ihre erste Gouvernante, und
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