Verschwoerung der Frauen
lassen. Aber Gabrielle war (so behaupteten die Goddards) die erste oder zumindest die jüngste Jungfrau, die er sich genommen hatte. Er konnte also sicher sein, daß sie sein Kind trug, und er wollte einen Erben, jemand, der seinen Namen weiterführte. Vielleicht, weil Emile eine solche Enttäuschung wurde, begrüßte Emmanuel es später, daß Nellie ein Mädchen war.
Das war zumindest meine Vermutung.
Gabrielles Familie blieb unerbittlich. Ihr Vater verfolgte sie bis nach Paris, aber als er das flüchtende Paar aufgestöbert hatte, wozu er einige Wochen brauchte, sagte ihm Emmanuel, Gabrielle sei schwanger und würde ihn heiraten. Der Goddard-Legende zufolge verkündete der Vater, seine Tochter existiere von nun an nicht mehr für ihn, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Ich habe mich oft gefragt, ob Gabrielles Brüder versuchten, sich mit ihr in Verbindung zu setzen – sie waren älter und hatten zweifellos ein beträchtliches eigenes Vermögen –, aber offensichtlich waren sie sehr konservativ oder ebenso ängstlich auf den Ruf der Familie bedacht wie die Eltern. Gabrielles Mutter starb wenig später – an ge-brochenem Herzen, wie mir die Goddards versicherten. Sie hatte ihre Tochter geliebt und gab sich selbst die Schuld an allem. Hätte sie weitergelebt, hätte sie Gabrielle vielleicht irgendwann verstanden und unterstützt. Aber sie stand ganz unter der Knute ihres Mannes und verlor mit Gabrielles Flucht ihren einzigen Grund zu leben. Eine romantische Geschichte, wenn es je eine gegeben hat.
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Egal, worauf die Goddards ihre wundervollen Geschichten über die Foxx’ auch stützten, sie behaupteten jedenfalls, Gabrielle habe von Zeit zu Zeit an ihre Familie geschrieben und um Hilfe gebeten, aber keine erhalten. Ihre Briefe kamen auf die feinste englische Art ungeöffnet zurück. Ein zweites Kind wurde tot geboren, und die Foxx’ bekamen keine weiteren Kinder mehr. Angesichts der Katastrophe, die sie aus Emile gemacht hatten, war das wahrscheinlich auch gut so; das jedenfalls dachte ich 1955 auf meine arrogante, intolerante und nüchterne Art. Aber was – erinnere ich mich, Dorinda kurz nach Nellies Ankunft gefragt zu haben – hatten sie während des Krieges getan? Ich rühmte mich, die Historikerin in unserer Gruppe zu sein und über alle wichtigen Daten Bescheid zu wissen.
Schließlich wußte ich ja auch, daß mein Vater, lange bevor er meine Mutter kennenlernte, im Krieg gewesen war. Dorinda konnte mir keine Auskunft geben, fragte aber beim Dinner nach, und ihr Vater sagte, Emmanuel sei bei Kriegsausbruch schon fast vierzig gewesen und zunächst nicht von den Franzosen eingezogen worden. Später blieb er vom Kriegsdienst verschont, weil er ein Herzleiden und ein Geschwür hatte. Er zog sich mit seiner Familie aufs Land zurück und arbeitete weiter an seinem Roman, seiner Meinung nach eine weit wichtigere Sache als der Krieg.
Einer von Gabrielles Brüdern wurde im Krieg getötet, der andere verwundet, aber weder das Herz ihres Vaters noch das des überle-benden Bruders stimmte das weicher. Gabrielle half Emmanuel bei seinen Schriften und versuchte, Essen für ihn und den Jungen aufzu-treiben. Es muß eine schwere Zeit gewesen sein. Wenn ich sie mir vorzustellen versuchte, hatte ich immer die Bilder Frankreichs vor Augen, die ich aus Filmen und Geschichten über den Zweiten Weltkrieg kannte. Die Bilder von Emile als kleinem Jungen in dem einen Krieg und von Emile als Mitglied der Résistance in dem anderen Krieg verschwammen in meinem Kopf miteinander.
In London beanspruchte mein Boß mich über alle Maßen. Meine Zeit war damit ausgefüllt, ihm beim Aufbau seines Büros zu helfen und ansonsten die Rolle auszufüllen, die man in den Fünfzigern von einer Verlagsassistentin erwartete: die Rolle der »Dienerin«. Aka-demikerfrauen spielten natürlich eine ähnliche Rolle, oft in ungeheu-erlichem Ausmaß. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Queenie Leavis, die Frau des damals gefürchtetsten und einflußreichsten Kritikers F. R. Leavis, viele Jahre später in einem Interview zugab, daß sie alle Recherchen für seine berühmten Bücher übernommen 55
und den größeren Teil von ihnen geschrieben habe. Wir, die wir den männlichen Verlegern und Schriftstellern assistierten, übernahmen also das Recherchieren und Tippen, manchmal auch das Formulieren der Texte und ließen sie alles Lob einheimsen, auf Gesellschaften herumlaufen und schwadronieren. In jenen Tagen hatten ›Time‹
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