Verschwoerung der Frauen
und ich kann verstehen, warum. Hätte ich nicht selbst eine gehabt, würde ich bestimmt glauben, jeder, der unter solchen Umständen unglücklich war, sei ein Narr.«
»Wie Heathcliff in der ›Sturmhöhe‹ über die Lintons sagt. Ich habe gehört, Sie sind Professorin für englische Literatur?«
»Und wo haben Sie das gehört?« fragte Kate. Sie hatte nichts davon am Telefon erwähnt.
»Ich betreibe Forschungen«, war Dorindas rätselhafte Antwort.
»Nun«, sagte Kate. »Was Heathcliff betrifft, haben Sie zweifellos recht. Wer wäre schon gern ein Linton, außer natürlich allen, die keine Lintons sind. Aber Cathy wollte gewiß keine sein.«
Es entstand eine längere Pause. Kate war damit beschäftigt, ihre Vorurteile zu modifizieren, ein zwar erfreuliches, aber auch schwieriges Unterfangen. Sie hoffte, die Pause nicht mit belanglosem Ge-plapper überbrücken zu müssen und rüstete sich gerade schon für diese unangenehme Aufgabe (Virginia Woolf hatte es die Gesprächswellen aufpeitschen genannt), als Dorinda zu sprechen begann. Offensichtlich hatte sie beschlossen, Kate mit Fakten zu ver-88
wöhnen. »Wie Sie wahrscheinlich schon wissen, habe ich Emmanuel und Gabrielle nie kennengelernt, aber von Hilda und meinem Vater und später von Nellie so viel über beide gehört, daß ich das Gefühl hatte, sie zu kennen. Meine Mutter fuhr nach England und besuchte Gabrielle während der letzten Jahre in dem Pflegeheim, aber Gabrielle war inzwischen völlig verwirrt. Meine Mutter beschrieb mir ihren Besuch jedoch so lebendig, daß ich meinte, mit ihr dort gewesen zu sein. Manchmal wachte Gabrielle plötzlich auf, wie er-schreckt, kam es Mami vor, schien sich dann aber an etwas zu erinnern und schlief mit einem winzigen Lächeln wieder ein, so als sei ihr eingefallen, daß ja alles in Ordnung war, daß für alles gesorgt war.«
»Was war alles?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht gar nichts Konkretes. Mami kann Szenen so gut nacherzählen, daß man meint, man war dabei. Ich glaube, das kommt von ihrem Leben mit den Goddards. All die Szenen bei uns zu Haus konnte sie wohl nur bewältigen, weil sie sie später immer wieder durchspielte. Und die Szenen bei den Goddards waren immer wild.«
»Sind sie das heute nicht mehr?«
»Nein. Großvater starb. Dann Hilda, und dann Daddy. Nur noch Mami und ich sind übriggeblieben. Sie ist einverstanden mit dem Leben, das ich führe, denn genau so ein Leben hat sie sich wohl immer für mich gewünscht. Aber manchmal sitzen wir zusammen, erinnern uns an die alten Tage und lachen. Gerade neulich beschrieb sie mir, jedesmal, wenn sie einen Handwerker für irgendwelche Reparaturen bestellt hatte, mußte sie vorher Daddy anflehen und beknien, sich nicht einzumischen; denn sonst ging er zu dem vor sich hin arbeitenden Mann hin und schrie ihm mit voller Lautstärke – was übrigens seine übliche Stimmlage war – irgendwelche Fragen und Ratschläge zu, so daß der Handwerker unweigerlich sein Werkzeug hinwarf und aus dem Raum stapfte. Und Mami mußte ihm hinterher-laufen, ihn zurückholen und ihm auf möglichst nette Art erklären, ihr Mann sei bloß ein harmloser Irrer.«
»Aber seine Schwester hat Ihr Vater wohl über alles geliebt, besonders als sie Emile Foxx heiratete?«
»Er hat sie immer über alles geliebt. Hilda war der Augapfel ihres Vaters und ihres Bruders – benutzt diesen Ausdruck heute noch irgendwer? Sie sorgten sich um sie, als sie Emile heiratete, aber insgesamt fanden sie wohl auch, das habe sie schlau angestellt –
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einen so berühmten Schriftsteller in die Familie zu bringen. Als junges Mädchen empfand ich das selbst so.«
Kate nickte. Sie hatte den von Dorinda angedeuteten Sinneswan-del verstanden.
»In der letzten Zeit habe ich oft über Gabrielle nachgedacht.
Wahrscheinlich deshalb, weil ich vor kurzem begann, auch über meine Mutter nachzudenken. Ich meine wirklich nachzudenken. Von allen, die noch am Leben sind, hat sie Gabrielle am häufigsten gesehen. Sie sollten mit ihr sprechen.«
»Welche Art Forschungen betreiben Sie denn?« fragte Kate. Sie wollte es plötzlich wissen.
»Ich arbeite im Labor eines Krankenhauses. Mein Mann hat mir geholfen, den Job zu bekommen. Und wie sich herausstellte, bin ich ziemlich gut. Ich habe mich schon immer für Medizin interessiert, was wahrscheinlich ein Grund dafür ist, daß ich mich überhaupt für meinen Mann interessiert habe.« Dorinda machte eine Pause. »Sagen Sie mal, erzählen Ihnen alle Leute
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