Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwoerung der Frauen

Verschwoerung der Frauen

Titel: Verschwoerung der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
zu sprechen.«
    »Ich biete Ihnen einen Handel an«, sagte Nellie.
    »Einen Handel?« Kate stellte fest, daß sie, was zwar selten geschah, an dem Punkt angelangt war, wo sie nur noch die Worte ihres Gegenübers wiederholte. Und wenn das geschah, war es immer ein untrügliches Zeichen dafür, daß sie sich unglücklich fühlte.
    »Lassen Sie uns einfach plaudern«, sagte Nellie. »Ich bin eine schlechte Gastgeberin, Ihnen so zuzusetzen. Waren Sie früher schon einmal in Genf?«
    »Ja, einmal«, sagte Kate. »Vielleicht können wir nach dem Essen zu dem See mit Rousseau in der Mitte laufen, an den ich mich noch erinnere. Sind die Straßen in Genf um diese Zeit noch sicher?«
    »Die Schweiz ist nirgendwo mehr so sicher, wie sie einmal war«, sagte Nellie, »aber immer noch sicherer als die meisten anderen Orte dieser Welt.«
    »Wie lange arbeiten Sie schon in Genf?« fragte Kate, und in still-schweigendem Einverständnis sprachen sie von anderen Dingen.
    Nellie bezahlte die Rechnung, und sie wanderten durch die Stra-
    ßen, wie Kate annahm, in Richtung Rousseau-See. Das Laufen schien eine befreiende Wirkung auf Nellie zu haben, denn plötzlich 110

    war sie bereit, zur Sache zu kommen. »Sie werden sich bestimmt fragen, welchen Handel ich mit Ihnen abschließen möchte – was ich anzubieten habe.«
    »Ja, allerdings«, sagte Kate.
    »Daß ich die Briefe verbrannt habe, tut mir leid. Das heißt, Ihretwegen tut es mir leid. Denn ich bin immer noch davon überzeugt, daß ich das Richtige getan habe. Meine Großmutter war ein sehr zurückgezogener Mensch. Sie hätte die Vorstellung gehaßt, daß ihre Briefe Jahre später von völlig fremden Menschen gelesen werden, die doch nur Interesse an ihrem Mann haben. Das müssen Sie mir wirklich glauben, es hätte ihr sehr widerstrebt.«
    »Das glaube ich Ihnen. Aber darum geht es ja nicht. Ich kann Menschen, die Briefe verbrennen, in gewisser Weise besser verstehen als Menschen, die sie aufbewahren. Ich kenne einen Dichter, seine Gedichte gefallen mir übrigens überhaupt nicht, der von all seinen Briefen Durchschläge aufbewahrt, weil er davon überzeugt ist, daß man einmal eine Biographie über ihn schreiben wird. Tatsache ist, daß genau der Impuls, der ihn die Durchschläge seiner Briefe aufheben läßt, auch verantwortlich für sein Scheitern als Dichter ist.«
    »Großmutter war keine Dichterin, und sie bewahrte auch keine Durchschläge auf.«
    »Verzeihen Sie, wenn ich abgeschweift bin«, sagte Kate. »Ich wollte damit nur sagen, daß die Neigung, Briefe zu verbrennen der Bedeutung dieser Briefe diametral entgegengesetzt sein kann.«
    »Ja«, sagte Nellie. »Ich verstehe, was Sie meinen. Sie sind eine sehr kluge Frau.«
    Entgegen ihrer sonstigen Art ließ Kate sich das Kompliment gefallen. »Ich habe das sichere Gefühl, daß Ihre Großmutter eine viel interessantere Person war als alle glaubten. Wahrscheinlich sogar interessanter als ihr berühmter Mann. Aber in der Vergangenheit hatten Frauen oft die bedauerliche Tendenz, in Anonymität und Schweigen zu versinken, weshalb man manchmal einfach nicht widerstehen kann, ihre Stimmen und Geschichten wieder aus der Versenkung zu holen.«
    »Aber manchmal enthalten ihre Geschichten auch die Geschichten anderer Menschen – Geschichten, die zu erzählen niemand das Recht hat, finden Sie nicht?«
    »Warum? Hat nicht jeder Mensch das Recht auf seine Geschichte?« fragte Kate. »Emmanuel Foxx hat seine Geschichte erzählt –
    und obendrein noch so, als sei es die seiner Frau. Ich finde, es ist an 111

    der Zeit, daß wir ihre eigene Version hören, meinen Sie nicht?«
    »Ich dachte nicht an meinen Großvater«, sagte Nellie. »Was man über ihn erzählt, ist mir egal. Ich dachte an Emile.«
    »Emile?« fragte Kate und starrte hinaus zu der Statue Rousseaus oder vielmehr dorthin, wo sie deren Standort auf der Insel vermutete, und fragte sich, was in aller Welt Nellie mit Rousseaus berühmtem Buch zu schaffen habe. Aber im nächsten Moment fiel bei Kate der Groschen. »Natürlich! Emile. Der Sohn. Ihr Vater!« hörte sie sich wie eine Schauspielerin in einem schlechten Stück sagen. »Verzeihen Sie mir«, fügte sie hinzu. »Einen Moment lang hatte ich ganz vergessen, wer Emile war.«
    »Alle haben ihn vergessen«, sagte Nellie. »Und genau das ist der Punkt, verstehen Sie?«
    »Eigentlich nicht«, sage Kate. Aber es stimmte. Es war wirklich erstaunlich, welch geringe Rolle Emile – trotz Foxx’ großer Freude über seine Geburt

Weitere Kostenlose Bücher