Verschwörung der Sieben
seinen Hund ausgehoben hatte.
Bitte, laß ihn sterben, Gott … Ich tue alles, wenn du ihn nur sterben läßt … Wenn du ihm das Leben nimmst, gehöre ich ganz dir und stehe in deiner Schuld …
Natürlich war dieses Gebet nur eine ebenso unüberlegte wie grausige Phantasie, doch dem kleinen Harlan war es beschieden, daß sein Wunsch in Erfüllung ging.
Zwei Nächte später erschien der Sheriff an der Haustür der Fryes. Den Hut in den Händen überbrachte er mit grimmiger Miene die traurige Botschaft: Harlans Stiefvater, von Beruf Fernfahrer, war allem Anschein nach hinter dem Steuer eingeschlafen. Sein Lastzug hatte die Mittellinie überquert und war in den Verkehr auf der Gegenfahrbahn gekracht. Schließlich hatten Laster und Anhänger sich quergestellt und waren umgestürzt. Meilenlange Staus in beiden Fahrtrichtungen waren die Folge gewesen.
Die später durchgeführte Untersuchung ergab, daß Harlans Stiefvater anderthalb Flaschen Jack Daniel's im Magen gehabt hatte, als sein Gefährt auf die Gegenfahrbahn geraten war. Während seine Mutter schluchzte und weinte, lief Harlan in sein Zimmer und kniete wie einige Nächte zuvor vor dem Bett nieder.
Vielen Dank, lieber Gott, jetzt will ich dir mein Leben weihen.
Damit war es dem Jungen durchaus ernst. Gott hatte ihm einen großen Gefallen erwiesen, hatte mehr für ihn getan als irgend jemand sonst, und das würde Harlan Ihm nicht vergessen.
Dabei gab es eine ganze Menge in seiner Kindheit in Haleyville, Alabama, das er lieber verdrängt oder ungeschehen gemacht hätte. Als schüchterner Junge hatte er nie einen einzigen Freund. Doch von diesem Tag an bereitete ihm das keinen Kummer mehr, denn jetzt wußte er Gott auf seiner Seite. Harlan zog es nicht sonderlich in die Kirche, aber er besuchte regelmäßig die Veranstaltungen der Wanderprediger, die von Ort zu Ort zogen, ihre schäbigen Zelte aufbauten und sich dann stundenlang über die Verwerflichkeit der Sünde ereiferten, während ihre Assistenten Klingelbeutel durch die Reihen der Einheimischen wandern ließen. Der Junge sagte sich bald, daß diese Prediger den wahren Gott kannten, wußten, wie man mit Ihm reden mußte, und von Ihm auch Antwort erhielten.
Kurz nach seinem zwölften Geburtstag versteckte Harlan sich auf dem Wagen des Predigers John Reed und verließ mit ihm seinen Heimatort. Reeds Mitarbeiter entdeckten ihn erst am nächsten Morgen, als sie bereits im Bundesstaat Mississippi waren und in einem kleinen Ort Station machten. Der Junge hatte seinen Proviant schon in den ersten zwei oder drei Stunden verputzt und seitdem nichts mehr zu sich genommen. Bleich und mit einem flauen Gefühl im Magen ließ er sich von den Arbeitern zum Prediger führen und war überzeugt, daß John Reed ihn geradewegs nach Hause schicken würde. Im stillen betete er inständig zu Gott, bei der Truppe bleiben zu dürfen. Bitte schick mich nicht wieder nach Haleyville zurück. Jeder Ort ist mir lieber als Haleyville.
Und wieder erhörte ihn Gott.
Doch nach nicht allzu langer Zeit mußte Harlan erfahren, daß es durchaus Dinge gab, die noch schlimmer als Haleyville waren.
Der Junge gelangte zu der Überzeugung, daß Gott ihm alle Wünsche erfüllte, wenn er Ihn nur richtig darum bat. Aber er mißbrauchte dieses Privileg nie für unwichtige Gefallen, sondern nur für Dinge, von denen er glaubte, daß sein ganzes junges Leben davon abhinge. Manchmal erteilte Gott ihm aber eine Lehre, indem Er ihm genau das gewährte, worum der Junge Ihn gebeten hatte. So hielt Harlan sich anfangs für den glücklichsten Menschen der Welt, weil er mit Prediger John reisen durfte. Reed nannte ihn seinen Adoptivsohn und ließ ihn in einer schmalen Koje bei sich im Wohnwagen schlafen.
Doch eines Nachts stieg der heilige Mann zu ihm ins Bett.
»Es ist Gottes Wille, Kind.«
Harlan spürte, wie Johns Arme ihn umschlossen, und fing an zu zittern.
»Bitte …«
Reed begann, ihn zu streicheln und überall zu berühren. »Wehr dich nicht dagegen, Junge.«
Harlan zog sich in die hinterste Ecke zurück und erstarrte.
Die eiskalten Hände lagen fest wie Schraubstöcke auf seine Schultern.
»Wenn du dich dem Willen des Herrn widersetzt, Kind, muß ich dich fortschicken. Zurück in die Welt, aus der du gekommen bist. Wenn du dich von mir abwendest, wendest du dich damit gleichzeitig auch von Ihm ab.«
Der Prediger preßte seinen Unterleib gegen ihn. Harlan drückte sich an die Wand, an der die Koje stand.
»So ist es schon viel besser,
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