Verschwörung der Sieben
Wirklichkeit, wenn er von der Kanzel predigte.
»Dieser Mann ist also unsere Nemesis, Major«, bemerkte Harlan nun von seinem Lieblingsplatz hinten im Zuschauerraum.
Major Osborne Vandal wartete nunmehr schon seit zwanzig Minuten auf eine Reaktion des Reverends. Es hätte ihm nichts ausgemacht, auch zwanzig Jahre zu warten, denn Frye hatte ihm das Leben gerettet. Nicht eigentlich, indem er ihn vor einer drohenden Gefahr bewahrt, sondern vielmehr im geistigen Sinne, indem er seinen inneren Frieden sichergestellt hatte.
Vandal hatte die letzten sieben Jahre des Vietnamkrieges in einem besonders brutalen Gefangenenlager des Vietkong verbracht. Er verließ den Ort mit einer zerschmetterten Hand. Permanente Folterungen hatten sie vollkommen unbrauchbar gemacht. Die Ärzte hatten ihm erklärt, er wäre gut damit beraten, sie amputieren zu lassen, denn mit einer Prothese käme er bestimmt besser zurecht. Doch das widerstrebte dem Major ganz entschieden. Er wollte ein vollständiger Mann bleiben, auch wenn das bedeutete, verkrüppelt durchs Leben zu gehen.
Vandal warf nun einen Blick auf seine Hand und spreizte die Finger, die fast zwei Jahrzehnte lang nicht mehr als eine verkrümmte, starre Klaue gewesen waren, die er meist in der Manteltasche verborgen hatte. Doch mittlerweile konnte er mit ihr wieder Gegenstände greifen und sie auch für andere Tätigkeiten benutzen. Und wenn man von den Narben und den Verfärbungen absah, unterschied sich die verletzte Hand kaum noch von der gesunden. Und dies verdankte er …
»Major?«
Die Stimme des Reverends riß ihn aus seine Gedanken. Vandal hob den Kopf und räusperte sich.
»Sir«, begann er, und es behagte ihm überhaupt nicht, schlechte Neuigkeiten überbringen zu müssen, »wir konnten zweifelsfrei nachweisen, daß McCracken tatsächlich in den Besitz der Liste gelangt ist, die Ratansky Schwester Barbara gestohlen hat.«
»Wie sind Sie dahintergekommen?«
»Heute hat sich jemand auf illegale Weise Zutritt zum Computer des Finanzamtes verschafft und die Namen auf der Liste eingegeben.«
»Dann weiß er von mir, nicht wahr?«
»Ja, Sir, wir dürfen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen.«
»Und was schlagen Sie vor?«
»Daß wir uns nun auf McCrackens nächsten Zug vorbereiten.«
»Und da bestehen so viele Möglichkeiten, daß wir nur raten können, oder?«
Das sah Vandal nicht so. »Ich habe diesen Mann studiert, Reverend. Er hat drüben in Vietnam die Art von Krieg geführt, zu der ich auch gern in der Lage gewesen wäre. Im Krieg wie auch in seiner Arbeit hier zeichnete McCracken sich vor allem durch Stetigkeit aus. Doch diese Eigenschaft birgt neben einigen Vorteilen auch einen Nachteil.«
»Und welchen?«
»Daß man vorhersehbar wird. Auf Grundlage dessen, was wir über den Mann in Erfahrung bringen konnten, glaube ich zu wissen, was er als nächstes unternehmen wird. Ich will einige Teams losschicken, die ihn an ausgewählten Orten abfangen sollen.«
»Würden Sie das bitte näher ausführen, Major?«
Vandal kam der Aufforderung bereitwillig nach, und Frye lauschte interessiert. Schließlich nickte er und erklärte mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln: »Sie sehen mich wirklich beeindruckt, Major. Ich glaube, Sie erkennen allmählich die Botschaft, die dem allen hier zugrunde liegt.«
Harlan erhob sich, trat hinaus auf den Mittelgang und hinderte so den Lichtstrahl des Projektors daran, die Leinwand zu finden. Nur an den Rändern war noch etwas zu erkennen, während Frye selbst in unheimliche bunte Lichter getaucht wurde.
»Sie lautet, es gibt Zweifler in unseren Reihen. Das Königreich ist noch nicht der Hort der Reinen. Wir sind noch nicht bereit. Die Zeichen sprechen eine eindeutige Sprache.«
»Wie soll ich das verstehen, Sir?«
»McCracken ist eine weitere Lektion für uns, wie so vieles andere, das vor seinem Erscheinen über uns gekommen ist. Er dient als Prüfung für unseren Mut und unsere Entschlossenheit, unserer Bestimmung gerecht zu werden. Sind wir etwa nach den Ereignissen in Beaver Falls in Panik geraten? Nein, denn wir haben darauf angemessen reagiert, haben uns nicht damit aufgehalten, den Verlust zu beklagen, sondern nach Möglichkeiten gesucht. Ich war heute abend im Labor, Major, und dort habe ich das Erstaunliche gesehen, das wir aus diesem Debakel zu formen verstanden haben. Ein Wunder, ein wahrhaftiges Wunder. Der Zeitpunkt ist gekommen, die anderen zu uns zu rufen.«
Frye atmete tief durch.
»Und
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