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Verschwörung der Sieben

Titel: Verschwörung der Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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seinen Plänen abzubringen, indem sie ihm bewies, daß die Welt das Schicksal nicht verdient habe, das er ihr zugedacht hatte. Doch gestern abend hatte sie erfahren müssen, daß Harlan nun durchaus die Mittel besaß, seine furchtbare Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Und damit hatte sich alles für Barbara geändert. Sie mußte nun sorgfältig planen. Sicher, sie hatte sich damit zu beeilen, durfte aber keinen Fehler machen. Und so würde sie dazu mehr Gelegenheit erhalten als bei den letzten Überbleibsel ihres früheren Lebens des Ruhms und der Triumphe:
    Die Oase.
    Bei diesem Ort handelte es sich um einen großflächigen Vergnügungspark, der sich über die Hügel vor Asheville in North Carolina erstreckte. Schwester Barbara hatte die Oase als Zufluchtsort für einsame, mißbrauchte, kranke und vernachlässigte Kinder errichtet. Zweihundert Hektar des puren Vergnügens standen diesen jungen Leuten zur Verfügung. Ein Wasserpark, Kirmesattraktionen, große Spielplätze und Bühnen dienten vor allem den Zweck, die Gedanken der Kinder von dem schrecklichen Leben abzulenken, das sie führten. Der Eintritt war frei, aber man gelangte nur auf Einladung in diesen Park. Für keine der Attraktionen auf dem Gelände mußte bezahlt werden, und die Größe und die Vielfalt der Anlage sorgte dafür, daß es nirgendwo zu langen Warteschlangen kam. Die Kinder konnten hier tun, was ihnen beliebte, und mußten sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob sie den Rest ihres Taschengelds für eine weitere Fahrt auf der Achterbahn oder lieber für Hamburger oder Eiskrem ausgeben sollten. Ein flüchtiges Paradies für diejenigen, deren Leben ansonsten ein einziger Alptraum war.
    Das eigentliche Heim, das zu besuchen Schwester Barbara in den vergangenen zwei Jahren nur höchst selten Zeit und Gelegenheit gefunden hatte, war ein großes Anwesen am Rande des Vergnügungsparks. Wenn die Schwester morgen dort eintreffen würde, wollte sie gleich damit beginnen, den Samen für Harlan Fryes Scheitern und Untergang zu säen. Doch die Soldaten des Reverends würden bestimmt dort auftauchen, und dann stand ihr eine ernstzunehmende Auseinandersetzung bevor. Die Zeit war jetzt ihre wichtigste Waffe.
    »Ja?« rief Harlan in das Mikrofon, das auf dem Schreibtisch in seinem Privatbüro im Königreich stand.
    »Er ist hier«, meldete Major Osborne Vandal.
    Die Tür zum Büro, die weder über Knauf noch Klinke verfügte, glitt automatisch auf, und Earvin Early schob seinen hünenhaften Körper herein. Von allen Bedrohungen, die von diesem Wahnsinnigen ausgingen, empfand Frye die Art, wie der Mann sich bewegte, am furchteinflößendsten. Ein Mensch von solchen Ausmaßen sollte plump und schwerfällig gehen, doch Early lief leichtfüßig und tänzelnd wie ein Panther. Seine präzisen Bewegungen wirkten fast graziös.
    Harlan betrachtete ihn im hellen Licht seines Büros und hätte den Blick am liebsten gleich wieder abgewandt. Earvins strähniges, fettiges Haar klebte ihm am Kopf und verdeckte teilweise sein Gesicht. Die eiternden Wunden und Beulen wirkten noch grotesker und abstoßender als bei ihrer letzten Begegnung. Die Kleidung war immer noch dieselbe – genauso wie die blutunterlaufenen, gelb gefärbten Augen, in denen Rot und Weiß ineinander verlief. Der Riese blickte wie eine Katze, ruhig und gleichzeitig angespannt, so als sei er ständig bereit, die Beute anzuspringen.
    Early, dessen immenser Oberkörper nur knapp von dem vielfach geflickten Leinenmantel bedeckt wurde, blieb zehn Fuß vor dem Reverend stehen. Nicht weit genug, denn der Gestank des Mannes drang Frye sofort in die Nase. Harlan mußte an sich halten, um nicht zu würgen.
    »Wir haben uns viel zu lange nicht mehr gesehen, Bruder.«
    Earvin sah ihn mit durchbohrendem Blick an. Er besaß eine unerwartet melodische Stimme: »Die Zeit hält uns alle als Schuldner im Griff. Sie leiht Minuten, doch Jahre sind die Zinsen.«
    Nicht selten erkannte der Reverend das Zitat wieder und konnte es einem Dichter zuordnen. Doch dieses war ihm noch nie untergekommen. In all den Jahren, die sie sich bereits kannten, von jener Nacht, in der sich Early halbtot aus dem Fluß gerettet hatte, bis heute, hatte er den Mann nie einen normalen Satz von sich geben hören. Anfangs waren ihm die ständigen Reime auf die Nerven gefallen, doch im Lauf der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, und mittlerweile war es ihm auch möglich, das herauszuhören, was der Hüne mit seinen Versen eigentlich sagen

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