Verschwörung im Zeughaus
sie es ganz sicher nicht überstehen. Wir wissen ja nicht, wie lange sich das Kind schon nicht mehr geregt hat.»
«Dann …» Marie runzelte die Stirn. «Dann tu es. Gib ihr von dieser Medizin.»
«Ich bin keine Hebamme!»
«Aber du hast selbst schon zwei Kindern das Leben geschenkt. Du weißt, was zu tun ist.»
«Mutter?» Griet hatte sich zu ihnen gesellt und griff nach Adelinas Arm. «Was ist? Kannst du Clara helfen?»
«Das weiß ich nicht, Griet.» Adelina seufzte. «Ich fürchte, das Kind in Claras Leib lebt nicht mehr. Wenn dem so ist, müssen wir es ganz schnell holen, aber das wird auch Claras Leben gefährden.»
«Oh.» Griet wurde blass. «Bist du sicher?»
«Ganz sicher kann man nie sein, aber wenn wir warten und das Kind vergiftet Claras Körper, wird sie ganz gewiss sterben.»
Griet presste die Lippen zusammen. Dann wandte sie sich um und ließ sich erneut neben der Schwangeren nieder. Sie redete leise auf Clara ein. Adelina konnte sehen, dass die Kleine vor Schreck und Angst ganz weiß im Gesicht wurde. Doch schließlich nickte sie zögernd.
Griet erhob sich wieder und wandte sich Adelina zu. «Clara sagt, du sollst es versuchen. Oder können wir noch auf Ludmilla warten?»
«Ich fürchte, nein.»
«Bitte.» Clara setzte sich auf und blickte verzweifelt zu Adelina hoch. «Bitte helft mir, gute Frau. Wenn … wenn ich sterben sollte … Ich habe sowieso niemanden, der sich um mich schert. Mein Vater wird mich umbringen, wenn er mich findet. Oder er schickt mich zurück ins …» Sie verkrampfte sich wieder und stieß einen erstickten Schmerzensschrei aus. «Bitte!» Tränen rannen ihr über die Wangen.
Adelina wechselte einen kurzen Blick mit Marie. «Hast du Wein mitgebracht?»
«Würzwein, aber stark verdünnt.»
«Gut, das reicht. Er nimmt dem Trank die Bitternis. Griet, reich mir den Mörser aus meinem Korb und den Beutel mit dem schwarzen Band. Er enthält die getrocknete Mistel.»
Während Adelina den Trank vorbereitete, versuchte sie sich an alles zu erinnern, was Ludmilla ihr einst über die Verwendung des Krauts erzählt hatte. Es war schon so lange her – damals war Adelina in höchster Not zu der weisen Frau gegangen, um das Kind, das sie unter dem Herzen trug, vorzeitig loszuwerden. Ludmilla hatte sie danach für eine Weile in ihrer Waldhütte beherbergt und gepflegt und einiges Wissen mit ihr geteilt. Nie wäre Adelina auf den Gedanken gekommen, dass sie dies einmal würde anwenden müssen.
«Hier, trink das, aber nicht zu hastig.» Sie reichte Clara den Krug mit dem Kräuter-Wein-Gemisch. Nachdem das Mädchen beherzt alles hinuntergeschluckt hatte, faltete Adelina die Hände im Schoß. «Jetzt müssen wir abwarten. Aber es wird nicht lange dauern.»
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20. KAPITEL
B ist du von allen guten Geistern verlassen? Das hätte auch schiefgehen können.» Tilmann musterte Adelina zornig, während er neben ihr durch die Gänge zurück zum Keller der Apotheke ging.
Adelina erwiderte seinen Blick gereizt. «Glaubst du, das weiß ich nicht?», fauchte sie. Sie war mit den Nerven am Ende. Die Mistel hatte ihre Wirkung sehr schnell entfaltet, und es hatte kaum eine Stunde gedauert, bis Clara einen winzigen toten Jungen geboren hatte. Adelina hatte das Kindchen auf den Namen Gotteskind notgetauft, nur für den Fall, dass es doch noch gelebt hatte. Danach hatte sie das junge Mädchen so gut wie möglich versorgt. Sie hoffte, dass Ludmilla bald da war, um sich weiter um Clara zu kümmern. Die Kleine war geschwächt, schien aber alles recht gut überstanden zu haben. Wenn jedoch das Fieber schlimmer wurde, würde auch die weise Frau ihr kaum mehr helfen können. «Natürlich war es ein großes Risiko, aber was hätte ich denn tun sollen?» Sie warf einen Blick über ihre Schulter. Marie und Griet folgten ihnen in einiger Entfernung. «Ich konnte Clara doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.»
Tilmann knirschte hörbar mit den Zähnen, dann seufzte er genervt. «Nein, vermutlich nicht. Aber was willst du denn jetzt mit ihr anstellen? Wenn sie wirklich eine entlaufene Hure ist, gehört sie zu den Unehrlichen, Adelina.»
Sie schoss einen wütenden Blick auf ihn ab. «Ihr eigener Vater hat sie dazu gezwungen, Tilmann!» Sie dachte an Griet, die ein ähnliches Schicksal erlitten hatte, allerdings noch weit jünger gewesen war als Clara. Doch davon wollte sie ihrem Bruder jetzt nichts erzählen. Er kannte Griets Vorgeschichte noch nicht, und sie war sich
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