Verschwörung im Zeughaus
gesehen?», fragte Griet neugierig.
Mira schluckte und spürte, wie sich allein bei der Erinnerung an den gestrigen Vorfall ihr Herzschlag beschleunigte. Kurz meinte sie, den Nachhall der leidenschaftlichen Gefühle in sich zu spüren, die sie in Tilmanns Armen empfunden hatte.
«Mira?» Abwartend blickte Griet sie von der Seite an.
«Wir haben … Er hat mich geküsst.»
«Ach.» Griets Augen wurden kugelrund. «Und du?»
«Ich habe den Kuss erwidert.» Sie seufzte unwillkürlich.
«Liebst du ihn?»
Mira erwiderte den Blick ihrer Freundin nur zögernd. «Ja, Griet. Ich liebe ihn.» Als sie die Worte endlich ausgesprochen hatte, schien es ihr, als löse sich eine eiserne Kralle, die seit drei Jahren ihr Herz umklammert hielt.
«Und du willst trotzdem Dietmar heiraten?»
«Ja. Nein.» Mira stieß einen verzweifelten Laut aus. «Gott, ich weiß es nicht. Tilmann verachtet mich ganz sicher für das, was ich getan habe. Es ist sein gutes Recht, mich zu hassen. Ich bin nicht besser als eine Hure … Verzeih, Griet!», unterbrach sie sich erschrocken. «Ich meine, ich habe es nicht getan, weil ich gezwungen wurde oder weil ich Geld verdienen musste oder … Ich tat es aus Trotz und Berechnung.» Ihr traten Tränen in die Augen. «Ich schäme mich so! Mit dieser … Sache habe ich alles zerstört. Ich wollte erreichen, dass mich niemand jemals würde zwingen können, einen Mann zu heiraten, den ich nicht will. Aber damit habe ich auch verhindert, dass ich den einzigen Mann, den ich jemals lieben werde, haben kann. Wir konnte ich nur so dumm sein! Und jetzt ist es zu spät.»
«Ach, Mira.» Nun war es an Griet, die Freundin in die Arme zu nehmen. «Ich glaube nicht, dass es zu spät ist.»
«Doch, so ist es.»
«Selbst Ludmilla hat gesagt, dass sie glaubt, ihr beide würdet ganz bald heiraten.»
«Was weiß die Alte schon», schniefte Mira und rieb sich mit dem Ärmel ihres Mantels über Augen und Nase.
«Bisher hat sie noch immer mit allem recht behalten», gab Griet zu bedenken. «Sie kennt sich mit Menschen aus.»
«Mag sein, aber in diesem Fall täuscht sie sich bestimmt. Kein Mann von Ehre will mich noch haben.»
«Ist Dietmar kein Mann von Ehre?»
Mira schnaubte. «Das ist etwas anderes. Er war es ja, der mit mir … du weißt schon.»
Mira sah aus den Augenwinkeln, wie Griet darüber den Kopf schüttelte und dann zu einer Frage ansetzte, es sich jedoch offenbar wieder anders überlegte.
«Griet? Ist etwas?»
«Nein. Oder doch. Ich frage mich nur, warum der Hauptmann? Ich dachte, du hasst ihn. Jahrelang habt ihr euch angegiftet, wenn ihr euch bloß im selben Raum aufgehalten habt.»
Sie blieben stehen, als vor ihnen an der Kreuzung zur Hohen Straße ein schweres Ochsenfuhrwerk vorbeizog, das mit Kornsäcken beladen war. Mira dachte über die Frage ihrer Freundin eine Weile lang nach, dann hob sie die Schultern. «Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Er hat etwas an sich, dass … Ich kann es nicht beschreiben. Wenn er mir zu nahe kommt, habe ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Aber trotzdem halte ich es kaum aus, wenn er nicht da ist.»
«Hast du keine Angst vor ihm?»
Sie überquerten die Kreuzung und bogen wenig später in die Schildergasse ein. Das Haus der van Dalens lag bereits in Sichtweite vor ihnen.
«Angst?», fragte Mira erstaunt. «Weshalb sollte ich?»
Griet errötete wieder. «Er ist doch ziemlich groß und stark, und du weißt selbst, wozu er fähig ist. Damals, bei der Geschichte mit Franziska, hat er diesen Soldaten fast totgeprügelt. Und er hat auch schon Männer im Kampf getötet und …»
«Nein, Griet.» Mira schüttelte entschieden den Kopf. «Ich habe keine Angst vor ihm.» Sie wollte noch weitersprechen, als sie jedoch aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Sie drehte den Kopf ein wenig und sah einen großen, dunkelhaarigen Mann mit Bart im Hof des Anwesens der Familie van Dalen verschwinden.
«Warte mal, hast du das gesehen?»
Griet hob alarmiert den Kopf. «Was denn?»
«Den Mann, der da gerade in den Hof gegangen ist. Er sah aus wie der Kerl, den Magda uns beschrieben hat.»
«Du meinst den, der sie überfallen hat?» Entsetzt blickte Griet zum Hof der van Dalens hinüber. «Bist du sicher?»
«Ich weiß nicht. Ich kenne ihn ja nicht. Aber er war groß, dunkelhaarig und trug einen Bart.»
«Es gibt Hunderte Männer, die so aussehen.»
«Ja, aber …» Mira ging langsam auf das Anwesen zu. «Und wenn es dieser Harro ist?»
Griet biss sich
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