Verschwörung im Zeughaus
auf die Unterlippe. «Sollten wir dann nicht jemanden verständigen? Hilfe holen? Was, wenn er uns sieht?»
«Er sieht uns schon nicht. Komm, wir schauen mal nach, ob er es wirklich ist.» Mira ging entschlossen auf das weit offenstehende Hoftor der van Dalens zu.
Griet folgte ihr, zupfte aber nervös an Miras Mantel. «Pass bloß auf!»
«Schon gut, ich will nur herausfinden, ob …» Mira verstummte und blieb stehen. Vorsichtig lugte sie um den Torpfosten herum in den Hof. «Niemand zu sehen», stellte sie fest.
«Sollen wir nicht anklopfen und schauen, ob Frau Christine da ist? Wegen ihr sind wir doch hergekommen», fragte Griet unsicher.
«Das machen wir ja gleich. Ich will nur erst wissen, wohin der Mann verschwunden ist.» Mira betrat den Hof und sah sich neugierig um. Auf drei Seiten wurde der gepflasterte Platz von Gebäuden umgeben. Ein Durchgang führte hinten rechts in einen Garten. Weit und breit war niemand zu sehen. Es begann wieder stärker zu regnen. Die beiden jungen Frauen liefen schnell zu dem vorgezogenen Dach des Stalles und stellten sich unter.
«Kann ich Euch helfen?» Aus dem Stalleingang trat ein noch sehr junger Knecht mit roten Haaren und abstehenden Ohren.
Mira und Griet fuhren erschrocken zu ihm herum. Mira fing sich als Erste.
«Guten Tag. Ja, du kannst uns weiterhelfen. Verzeih, dass wir hier einfach eingedrungen sind, aber bei dem Regen haben wir einen Unterschlupf gesucht.» Sie setzte ihr reizendstes Lächeln auf, woraufhin der Knecht prompt errötete. «Wir sind auf dem Weg zu Frau Christine. Wenn du so freundlich wärest, uns zu melden?»
Der Knecht schüttelte den Kopf. «Tut mir leid, aber meine Herrin ist ausgegangen. Sie kommt erst in ein paar Stunden zurück, hat sie gesagt.»
«Ach, das ist aber schade. Weißt du, wohin sie wollte?»
Der Knecht hob nur die Schultern.
Wieder lächelte Mira. «Nun gut, dann müssen wir leider unverrichteter Dinge wieder gehen.» Sie blickte zum Himmel. «Komm, Griet, lass uns aufbrechen. Der Regen lässt nach.» Kurz nickte sie dem rothaarigen Jungen noch einmal zu. «Dank dir für die Auskunft.» Sie hakte sich bei Griet unter und zog die Freundin mit zur Straße.
«Und was jetzt?», raunte Griet.
«Wir gehen …» Mira stockte. «Da ist er wieder!» Sie blieb stehen und deutete mit dem Kinn in Richtung eines dunkel gekleideten Mannes mit krausem, dunkelbraunem Haar, der eben aus einem Durchgang zwischen zwei Häusern trat, die Schildergasse überquerte und in einem anderen Gehöft verschwand. Mira und Griet sahen einander an.
«Müsste das nicht das Haus der Palms sein?», fragte Mira leise. «Vielleicht arbeitet dieser Harro – falls er es ist – für Evert Palm, den Ratsherrn. Der auch in die Verschwörung des Grafen verwickelt ist.»
«Meinst du? Aber würde er dann so offen hier herumlaufen?», gab Griet zu bedenken. «Er wird doch von den Bütteln und Stadtsoldaten gesucht.»
«Ich weiß es nicht.» Mira runzelte nachdenklich die Stirn. «Findest du es nicht merkwürdig, dass er hier herumschleicht? Ob es sich um Harro handelt oder nicht, dieser Kerl ist mir suspekt. Komm, wir schauen mal auf dem Hof da drüben nach.»
Griet seufzte und verdrehte die Augen, folgte Mira jedoch ohne Protest zu dem Anwesen, das sich schräg gegenüber dem der van Dalens befand.
«Es ist Palms Haus», stellte Mira fest und deutete auf ein mehrfarbiges Hauszeichen, das über den Eingang gemalt war. «Das Zeichen habe ich schon mal gesehen.»
«Und was machen wir jetzt hier?» Griet schauderte, als eine Windbö sie erfasste.
Auch Mira rieb sich über die Arme. «Ich wüsste zu gern … Oh, komm schnell!» Sie fasste Griet bei der Hand und zog sie mit sich bis um die Hausecke.
«Was ist denn?» Beinahe wäre Griet gestrauchelt. Sie stützte sich gerade noch an der Hauswand ab.
«Schau!», raunte Mira und deutete zum Hofeingang.
Der bärtige Mann war wieder auf die Straße getreten. Begleitet wurde er von einer drallen Magd, die einen schweren Korb an einem Arm und ein unförmiges Bündel unter dem anderen trug.
«Wo die wohl hinwollen?»
«Was geht uns das an?» Griet zuckte die Achseln. «Wahrscheinlich verrichten sie bloß einen Botengang für Palm oder seine Frau.»
«Das ist aber nicht Palms Magd, sondern die von Frau Christine. Sie hat ihre Herrin begleitet, als sie bei uns war. Ich erkenne sie», erklärte Mira.
Griet machte große Augen. «Du meinst die, von der Ludmilla auch schon gesprochen hat?»
«Genau die»,
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