Verschwörung im Zeughaus
Leib.
Überrascht merkte Adelina auf und runzelte kurz die Stirn. «Hüte deine Zunge, Mädchen. Sonst könntest du sie dir ordentlich verbrennen.» Sie wies in Richtung der Küchentür. «Nun geh schon und tu, was ich dir aufgetragen habe.»
Innerlich mit sich selbst hadernd, tat Mira, worum Adelina sie gebeten hatte. Sie half Magda, Teller, Messer, Löffel und Trinkbecher auf dem Tisch zu verteilen, schnitt einen Brotlaib in dicke Scheiben und holte Schmalz und Eier aus der Vorratskammer. Magda röstete die Brotscheiben in einer großen Pfanne, danach verschlug sie die Eier mit Kräutern, beriet ein paar Streifen Speck an und bereitete ein kräftiges Rührei zu. Auch gehackte Zwiebeln gab sie noch in die Pfanne. Der verführerische Duft des Essens stieg nicht nur Mira in die Nase, deren Magen zu knurren begann. Er zog nach und nach durch das gesamte Haus und lockte alsbald die Familienmitglieder an. Nach und nach fanden sich Adelina, Colin, Neklas und auch das Gesinde ein. Auch Ludmilla, die sich bis eben in der Gästekammer aufgehalten hatte, tauchte auf.
Nachdem sich alle gesetzt hatten, sprach Neklas ein Tischgebet, dann begannen sie zu essen. Mira rutschte allerdings unruhig auf ihrem Platz hin und her, rührte weder das Brot noch das Rührei an.
«Stimmt etwas nicht?» Adelina musterte sie fragend.
Mira zuckte die Achseln. «Meisterin, Ihr habt eben gesagt, dass Euer Bruder ungehalten wird, wenn er Hunger hat. Sollten wir ihm nicht gleich etwas zu essen bringen?»
«Warum das denn, Mira?», nuschelte Vitus. «Ich hab doch ganz viel zu essen! Ist lecker. Ich mag Rührei gern.»
Erschrocken biss sich Mira auf die Lippen. «Dich meinte ich doch nicht, Vitus.»
«Aber wen denn sonst? Ich bin doch Linas Bruder.»
«Schon gut, Vitus.» Adelina lächelte ihm zu. «Iss nur ruhig weiter.»
Nachdem sich Vitus wieder seinem Teller gewidmet hatte, auf dem sich das Rührei häufte, blickte Adelina fragend zu Ludmilla. Die alte Frau hob die Schultern.
«Er ruht.» Sie sprach gerade so leise, dass nur Adelina, Mira und Neklas sie verstehen konnten. «Es ist nicht nötig, dass wir ihn jetzt stören. Er wird schon nicht verhungern.»
«Wer soll verhungern?», fragte Vitus unerwartet wieder dazwischen. «Etwa Tilmann? Darf er nicht essen? Das ist aber gemein. Er hat doch bestimmt auch Hunger.»
Die Augen aller Anwesenden richteten sich überrascht auf den jungen Mann. Vitus grinste. «Unten im Keller hat er es aber gar nicht gemütlich. Kalt ist es da auch. Und Hunger haben soll er nicht.»
«Onkel Tilmann ist unten im Keller?» Colin sah mit großen Augen von Vitus zu seinen Eltern. «Warum das denn?»
Hilfesuchend blickte Adelina Neklas an, der sich daraufhin räusperte. «Weißt du, Colin, Onkel Tilmann geht es im Augenblick nicht gut.»
«Ist er krank?»
«Nein, jemand hat ihm sehr weh getan. Er hat ganz arg geblutet. Das hab ich genau gesehen. Ich war nämlich mal unten und hab geguckt.» Vitus gestikulierte heftig mit einer Hand. Mit der anderen schaufelte er sich eine weitere Portion Rührei auf seinen Löffel und schob ihn sich in den Mund.
«Vitus!» Adelina schüttelte tadelnd den Kopf. «Du hast dich nach unten geschlichen? Du sollst doch nicht ins Laboratorium gehen.»
Vitus zuckte nur mit den Achseln, während sich Neklas wieder an Colin wandte. «Dein Onkel hat im Augenblick ein paar Probleme, Colin. Jemand beschuldigt ihn, etwas Schlimmes getan zu haben. Das stimmt zwar nicht, aber das glaubt ihm niemand. Deshalb hält er sich unten versteckt. Niemand darf erfahren, dass er hier ist. Du musst darüber absolutes Stillschweigen bewahren.» Er warf Vitus einen eindringlichen Blick zu. «Das gilt auch für dich.»
«Ich sag ganz bestimmt nichts», versprach Vitus.
«Ich auch nicht», sagte Colin mit ernster Miene. «Aber was ist mit Onkel Tilmann? Ist er verletzt?»
«Er wurde überfallen und mit einem Dolch niedergestochen», sagte Adelina. «Es geht ihm schon ein bisschen besser, aber es wird noch eine Weile dauern, bis er sich ganz erholt hat.»
«Wirklich? Das ist ja gruselig.» Mit großen Augen sah Colin sie an. «Darf ich zu ihm gehen?»
«Heute nicht mehr», bestimmte Neklas. «Und auch in den nächsten Tagen wird er noch viel Ruhe brauchen. Denkt bitte nur daran, dass niemand erfahren darf, wo er sich aufhält.»
«Ich bringe ihm doch lieber sofort etwas zu essen hinunter», entschied Mira und stand auf. Sie nahm eine Schüssel, füllte Rührei hinein, legte zwei Speckstreifen dazu
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