Verschwörung im Zeughaus
nicht wusste, weshalb. Es auch nie erfahren durfte. Doch selbst wenn die Dummheit, die sie einst begangen hatte, ihr die Aussicht auf ein Leben genommen hatte, das ihr inzwischen weniger unangenehm als vielmehr erstrebenswert erschien – vermochte sie doch nicht den Mann, den sie abgewiesen hatte, seinem Schicksal zu überlassen. Auch wenn er nach wie vor nur schwer zu ertragen war. Seine ungnädige Art ihr gegenüber stellte ihre Geduld auf eine harte Probe. Nicht zum ersten Mal hatte sie den Eindruck, es bereite ihm Freude, sie zu provozieren. Sie wusste sich nicht anders zu helfen, als so oft wie möglich selbst den Köder für ein neues Gefecht auszuwerfen. Angriff, so glaubte sie, war gegen Tilmann Greverode die beste Verteidigung.
«Ich verdächtige den Rentmeister.»
Überrascht hob Mira den Kopf und blickte geradewegs in Greverodes Augen, die wachsam funkelten.
«Thönnes Overstolz? Ihr glaubt, er ist mit dem Grafen van Wesel im Bunde?»
«Er hat mir den Zugriff auf die Aufzeichnungen über die Waffen im Zeughaus entzogen und die eindeutigen Ungereimtheiten, die Clais und ich entdeckt haben, im Rat vom Tisch gewischt.»
«Könnt Ihr das beweisen?»
In seinen Blick trat wieder eine Spur des gewohnten Spotts.
«Nein. Was ich beweisen könnte, wenn diese verfluchten Papiere nicht verschwunden wären, ist etwas anderes.»
«Und zwar?» Gespannt sah sie ihn an.
«Thönnes’ Schwager, Evert Palm, müsste derjenige sein, der die Briefe an van Wesel verfasst hat. Zumindest ähnelt seine Handschrift recht deutlich der auf den Nachrichten, die an den Grafen geschickt wurden.»
«Evert Palm, der Ratsherr?» Erschrocken sprang Mira auf und hätte dabei fast ihren Teller zu Boden geworfen. Rasch stellte sie ihn im Regal ab. «Seid Ihr sicher?»
«Ganz sicher kann ich nicht sein, solange ich Palm und Overstolz nicht damit konfrontiert habe. Und das geht nicht, da mir, wie gesagt, die Beweise fehlen», brummte er gereizt.
«Wusstet Ihr, dass Christine van Dalen gegen Eure Nachforschungen war?»
Er hielt inne und nickte dann. «Sie hat Clais die Hölle heißgemacht. Kein Wunder, denn immerhin ist sie mit dem Grafen verwandt – ebenso wie Ihr, Jungfer Mira.»
Erschrocken hob Mira den Kopf. «Nicht blutsverwandt!», rief sie. «Mein Stiefvater ist ein entfernter Cousin des Grafen.» Sie stockte und spürte, wie sie rot wurde. «Ihr glaubt doch hoffentlich nicht, dass … Ich meine, die beiden sind zwar befreundet, aber …»
«Ihr glaubt, ich verdächtige Euren Stiefvater?» Tilmann stellte den Teller neben der Matratze auf dem Boden ab. «Seid Ihr deshalb so empfindlich?»
«Ich bin empfindlich?»
«Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen. Arnold hat nichts mit dem Verrat zu tun. Im Gegenteil – er war es, der uns ursprünglich überhaupt auf die Machenschaften van Wesels hingewiesen hat.»
Verblüfft starrte Mira ihn an. «Ihr meint … ich dachte …»
«Mira, Euer Stiefvater ist nicht solch ein schlechter Kerl, wie Ihr glaubt.»
Sie errötete noch mehr. «Natürlich nicht.» Verlegen senkte sie den Blick. «Es ist nur …»
«Ihr könnt ihn nicht ausstehen, ich weiß. Wenn man die Sache von Eurer Warte aus betrachtet, ist das durchaus nachvollziehbar.» Sie hörte an seiner Stimme, dass er zu lächeln schien, traute sich aber nicht, ihm ins Gesicht zu schauen. «Wenn man auch annehmen sollte, dass Euch in den Jahren, bevor Ihr von Adelina aufgenommen wurdet, mehr Demut eingebläut worden wäre. Ganz zu schweigen davon, dass Ihr einen Kopf besitzt, der nicht nur hübsch zum Ansehen ist, sondern den Ihr, wie ich sehr wohl weiß, auch zum Denken benutzt.»
Nun hob sie doch den Kopf wieder – zu überrascht war sie über seine Worte.
Seine Miene war ernst, aber freundlich. «Ihr seid dazu geboren und erzogen worden, entweder den Schleier zu nehmen oder durch eine Ehe eine für Eure Familie politisch sinnvolle Allianz zu schließen.»
«Das weiß ich», fauchte sie aggressiver, als sie vorgehabt hatte. Seine Worte brachten sie auf, nicht, weil sie von ihm kamen, sondern weil sie ihr schlechtes Gewissen spürte.
«Es war nicht leicht, Arnold davon zu überzeugen, Euch nicht den Hals umzudrehen, als Ihr Euch weigertet, mein Weib zu werden.»
«Warum habt Ihr es dennoch getan?» Die Frage war ihr herausgerutscht, noch bevor sie es verhindern konnte. Sie hatte sich das in den vergangenen drei Jahren schon oft gefragt.
Um Greverodes Mundwinkel zuckte es kurz, doch seine Miene blieb ernst. «Weil
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