Verschwörung in Florenz
die Störung. Hier …«
»Oh, Matilda!« Anne sah auf und tat, als wäre sie überrascht. »Was gibt es?«
»Ein Bote kam gerade und brachte einen Brief für Euch, Signorina«, sagte die alte Magd und reichte ihr mit einem höflichen Knicks ein sorgfältig zusammengefaltetes Pergament.
»Ein Brief? Für mich?«, fragte Anne und gab sich Mühe, ihre freudige Überraschung nicht allzu deutlich zu zeigen. Tatsächlich, es war ein Brief für sie. Was konnte dieser Brief bedeuten? Sie wurde rot, als sie merkte, dass sie sich insgeheim wünschte, er käme von Cosimo. Seit Lorenzos Fest war er verschwunden. Auf Giovannas Beisetzung fünf Tage nach ihrem Tod hatte man in den Reihen der Medici vergeblich auf ihn gewartet. Selbst beim Neujahrsfest im Rathaus hatte er gefehlt. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Viele legten ihm dies als Geständnis aus. Doch Anne glaubte nicht an seine Schuld, obwohl alles gegen ihn sprach. Sie war sicher, dass er an der Trauerfeier teilgenommen hatte. Sie hatte einen Schatten gesehen, eine dunkel gekleidete Gestalt, die heimlich in den Dom gehuscht und vor Beendigung der Zeremonie wieder verschwunden war. Wenn Cosimo wirklich schuldig war, wenn er Giovanna umgebracht hatte, würde er wohl kaum die Frechheit besitzen, an der Trauerfeier teilzunehmen. Und doch – Cosimo de Medici war unberechenbar. Vielleicht war er wirklich verrückt.
»Ihr habt Recht, es ist eine ungehörige Angelegenheit«, sagte Matilda, die offensichtlich Annes Erröten anders interpretierte. Eine strenge Falte stand zwischen ihren Augenbrauen. »Wäre Herr Giuliano im Hause, hätte ich zuerst ihn aufgesucht und um Rat gefragt. Doch unglücklicherweise ist er nicht zugegen. Wir können nicht einmal einen Boten zu ihm schicken und seine Weisung abwarten, weil er nach San Gimignano unterwegs ist. Und dieser … dieser Bote sitzt jetzt dort unten in der Halle und wartet auf Eure Antwort.«
Anne verkniff sich nur mühsam das Lachen. Matilda sprach von dem Boten, als wäre der Junge ein besonders widerwärtiges Insekt, das Schmutz und Gestank in ihrer sauberen Halle verbreitete.
»Von wem ist denn der Brief?«, fragte sie und warf einen Blick auf das ihr unbekannte Siegel.
»Von Signor Giacomo de Pazzi«, antwortete Matilda, und ihre Stimme bebte vor Empörung. »Er ist nicht verheiratet und schreibt Euch einen Brief! Das ist …«
»Aber Matilda, nun lass mich doch erst einmal herausfinden, weshalb er mir dieses Schreiben schickt. Vielleicht will er mir nur ein gutes neues Jahr wünschen.«
Die Magd schnaubte verächtlich. Anne brach das Siegel, indem sie das Pergament knickte wie eine Tafel Schokolade. Dann faltete sie den Brief langsam auseinander.
Es standen nur wenige, in einer kleinen steilen Schrift verfasste Zeilen dort.
»Verehrte Signorina Anne, erlaubt mir und meiner Mutter Donna Lucia die Ehre, Euch morgen zu einem Essen in unserem Hause begrüßen zu dürfen. Unser Bote wartet auf Eure Antwort. Mit der Hoffnung und in freudiger Erwartung auf Eure Zusage verbleibt Euer ergebener
Giacomo de Pazzi.«
»Was soll ich dem Boten nun ausrichten, Signorina?«, fragte Matilda.
Anne faltete das Pergament sorgfältig zusammen und dachte nach. Hatte sie sich nicht gewünscht, ungestört mit Giacomo de Pazzi reden zu können? Vielleicht konnte sie ja von ihm mehr über Cosimo und dieses geheimnisvolle Elixier erfahren – und über Giovannas Ängste.
»Lass nur, Matilda, ich werde ihm meine Antwort persönlich mitteilen.«
Anne ging in die Halle und trat auf den Jungen zu. Der sprang sofort von dem Stuhl auf, auf dessen äußerster Kante er sich niedergelassen hatte. Verlegen drehte er seine Mütze hin und her und trat von einem Bein auf das andere. Seine Blicke irrten unablässig durch den Raum und huschten über den Boden, als würde er es nicht wagen, sie anzusehen.
»Du bist der Bote von Signor Giacomo de Pazzi?« Der Junge nickte so kurz und scheu, als würde sie ihn zwingen, sich zu einer Schandtat zu bekennen. »Richte deinem Herrn und deiner Herrin meine Grüße und meinen herzlichen Dank aus. Ich freue mich sehr über die Einladung und werde sie selbstverständlich annehmen.« Der Junge nickte wieder. »Wenn es deinen Herrschaften recht ist, so werde ich morgen zur Mittagszeit nach dem Angelusläuten bei ihnen eintreffen. Sollten sie einen anderen Vorschlag haben, so mögen sie mir bitte eine Nachricht senden. Das ist alles, du darfst dich entfernen.«
Der Junge ging rückwärts und unter
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