Verschwörung in Florenz
ihm erzählen sollte, wie ihr euch immer wieder meinen Wünschen widersetzt.«
Matilda presste die Lippen aufeinander, und Anne hätte schwören können, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Doch in diesem Moment empfand sie kein Mitleid. Enrico legte der alten Magd besänftigend eine Hand auf den Arm. Es war eine derart vertraute Geste, dass Anne plötzlich der Gedanke kam, zwischen Magd und Hausdiener könnte mehr bestehen als eine rein kollegiale Beziehung.
»Freilich werden wir Eure Wünsche erfüllen, Signorina«, sagte er und versuchte zu lächeln. »Doch ich bitte Euch zu verstehen, dass wir alle hier lediglich um Eure Sicherheit besorgt sind. Besonders jetzt, wo der junge Herr fort ist. Eure Taten sind zur Zeit wahrhaft ungewöhnlich, dabei sollte sich eine Frau in Eurem Zustand schonen.«
Anne stellte geräuschvoll den Becher ab und erhob sich. Wahrhaftig, hier wussten alle, dass sie schwanger war. Wem war es wohl sonst noch bekannt? Giuliano? Der Familie Medici? Oder vielleicht sogar ganz Florenz? Wie die Diener das herausgefunden hatten, wollte sie lieber nicht wissen.
»Ich danke euch für das Frühstück und die angenehme Unterhaltung. Zu gern würde ich noch länger mit euch plaudern, doch meine Zeit lässt es nicht zu. Ihr entschuldigt mich.«
Sie machte einen angedeuteten Knicks vor Matilda und verließ die Küche. Mit einem grimmigen Lächeln schloss sie die Tür hinter sich. Der Knicks hatte seine Wirkung nicht verfehlt; Matilda war nicht dumm und hatte diese Geste wohl verstanden. Das Gesicht der alten Magd hatte sich dunkelrot verfärbt, ob aus Scham oder vor Zorn war Anne egal.
Sie hatte bereits die Halle durchquert, als Enrico und einer der Pagen aufgeregt hinter ihr hergelaufen kamen.
»Signorina!«, keuchte Enrico. »Signorina, so wartet doch, Euer Mantel!«
Anne blieb stehen, der Page half ihr in den Mantel und öffnete die Haustür. Draußen wartete schon die Kutsche, zu der Enrico sie begleitete.
»Verzeiht, Signorina«, sagte Enrico, als Anne bereits in der Kutsche saß und sich die Handschuhe anzog. »Bitte vergebt uns. Vergebt insbesondere Matilda. Es stand gewiss niemals in unserer Absicht, Euch zu verärgern. Wir sind nur so froh über Eure Anwesenheit in diesem Hause. Ruhe ist seither eingekehrt und Beständigkeit. Der junge Herr Giuliano könnte es nicht ertragen, wenn Euch etwas geschieht. Es würde ihm das Herz brechen. Und … und …«, er stockte und senkte verlegen den Blick, »… und wir wären ebenfalls untröstlich.«
»Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte sie und lächelte Enrico zu. Der alte Mann war wirklich rührend. Ein wenig erinnerte er sie an den Pförtner im Verlag, an den alten Herrn Pachulski. »Macht euch keine Sorgen um mich.« Enrico schloss die schmale Kutschtür, trat zwei Schritte zurück und nickte Giuseppe zu.
»Wohin soll ich Euch fahren, Signorina?«, fragte der Kutscher, ohne sich umzudrehen.
»Zum Stadthaus von Giulianos Vetter Cosimo de Medici.« Während sich das Pferd in Trab setzte und die Kutsche durch die stillen verlassenen Straßen ratterte, dachte Anne nach. Niemand brauchte sich um sie Sorgen zu machen. Sie konnte auf sich selbst aufpassen. Im Gegensatz zu Giuliano.
Die üblichen Verdächtigungen
Anne schickte Giuseppe mit der Kutsche wieder heim und blieb vor Cosimos Haus auf der Straße stehen, bis der Einspänner in eine der Seitenstraßen abgebogen war. Neugierig betrachtete sie die Fassade. Der Giebel war hoch, schmal und mit wunderschönen Einlegearbeiten aus schwarzem und weißem Marmor verziert. Die zahlreichen Fenster bestanden aus rautenförmigen Bleiglasscheiben, hinter denen sie teilweise die Muster und Farben der zugezogenen Vorhänge erahnen konnte. Es war ein schönes Haus, daran gab es keinen Zweifel. Und doch war sie ein wenig enttäuscht. Sie hatte sich Cosimos Heim anders vorgestellt, ungewöhnlicher, verrückter, vielleicht wie ein Hundertwasser-Haus. Tatsächlich unterschied es sich kaum von den Palazzi der anderen vornehmen Bürger der Stadt. Ob es wohl innen ebenso konventionell war?
Mit ein bisschen Glück wirst du es gleich erfahren, dachte Anne. Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Jetzt, direkt vor seiner Tür, war sie sich nicht mehr sicher, ob es wirklich so eine gute Idee war, Cosimo aufzusuchen. Wenigstens war sie so klug gewesen, die Kutsche fortzuschicken. Andernfalls wäre sie jetzt bestimmt wieder eingestiegen und nach Hause gefahren.
Anne atmete nochmals tief ein, lockerte
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