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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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ihre Nackenmuskulatur und ging auf die Stufen zu, die zur Eingangstür führten. Sie war hergekommen, um mit Cosimo zu reden. Und wenn sie dieses Vorhaben nicht in die Tat umsetzte, so wäre es besser für sie, noch heute in ihre eigene Zeit zurückzukehren. Und anschließend alle Spiegel zu Hause abzumontieren, damit sie nicht mehr ihr Gesicht sehen musste.
    Mühsam schleppte sie sich die Stufen empor. Es kam ihr vor, als wären es hundert, dabei waren es nur fünf. Ihre Beine waren schwer, als würde sie Schuhe mit Bleisohlen tragen. Und dann hatte sie es endlich geschafft. Sie stand vor der Eingangstür, den Löwenkopf des schweren Türklopfers aus Bronze direkt vor ihrem Gesicht. Wieder musste sie durchatmen, ihre Augen schließen. Der Mut wollte sie nun endgültig verlassen. Doch was dann? Wie wollte sie es mit ihrem Gewissen vereinbaren, nicht wirklich alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben, um Giulianos Leben zu retten? Sie straffte die Schultern, hob ihr Kinn und packte den bronzenen Ring, den der Löwe in seinem Maul trug. Es ging ganz leicht. Sie musste ihn nur loslassen, und der schwere Griff prallte mit einem dumpfen Geräusch, das vermutlich im ganzen Haus zu hören war, gegen das Holz der Tür. Dreimal klopfte sie auf diese Art und Weise. Dann trat sie einen Schritt zurück und wartete.
    Im Haus war es still. Nichts rührte sich. Ob in diesem Haushalt Diener und Herr später aufstanden als in den anderen florentinischen Häusern? Oder war Cosimo vielleicht gar nicht da? Er war nicht zum Neujahrsfest erschienen, seit Wochen hatte ihn niemand gesehen. Vielleicht hatte er Florenz verlassen und verbrachte den Winter in einem Landhaus irgendwo vor den Toren der Stadt. Oder er war nach Siena gereist, um von dort den Mord an Giuliano zu planen, und sie stand sich hier vergeblich die Beine in den Bauch. Anne begann zu frösteln. Es war ein ungemütlicher Morgen, nicht besonders kalt, aber in der Nacht hatte es geregnet, und die Feuchtigkeit kroch mit klammen Fingern bis unter die Kleider. Sollte sie wirklich unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren? Und wie sollte sie das anstellen? Sollte sie zu Fuß gehen oder sich doch lieber eine Kutsche rufen?
    Du solltest es noch einmal versuchen, dachte sie und trat wieder an die Tür. Dann kannst du dir immer noch Gedanken darüber machen, wie du nach Hause kommst.
    Anne hatte den Türklopfer gerade in die Hand genommen, als sie von innen nun doch ein Geräusch hörte. Es waren ohne Zweifel Schritte. Sie klopfte wieder und hörte, wie die Schritte rasch näher kamen. Dabei murmelte eine Männerstimme etwas, dass nach »Wer kann das sein?« und »Unmögliche Zeit für einen Besuch!« klang.
    Es dauerte noch eine Weile, und dann endlich öffnete sich die Tür – allerdings nur einen Spalt, gerade eben breit genug, um hindurchzuspähen und unerwünschte Eindringlinge sogleich wieder zu vertreiben. Es war Anselmo, Cosimos persönlicher Diener.
    »Was …«, begann er, dann erkannte er Anne. Vor Überraschung riss er die Augen und die Tür weit auf. »Signorina Anne!«, rief er aus, sodass jetzt vermutlich jeder in der Straße von ihrem Besuch bei Cosimo wusste. »Was führt Euch zu uns?«
    Anne unterdrückte ein amüsiertes Lächeln. Ganz offensichtlich hatten alle hier im Haus noch tief und fest geschlafen, denn Anselmos Kleidung saß schief, und in der Eile hatte er sie falsch zugeknöpft. Obendrein schien Anselmo sich als gleichberechtigten Partner oder Freund von Cosimo zu betrachten. Ob dieser auch davon wusste?
    »Guten Morgen, Anselmo«, sagte sie mit einem zuckersüßen Lächeln. »Ich möchte mit Cosimo sprechen.«
    »Ja, natürlich, gern, aber …« Er kratzte sich am Kopf, sodass sein Haar zu allen Seiten hin abstand, was seinem hübschen jungenhaften Gesicht einen ziemlich wirren Ausdruck verlieh. »Ich weiß nicht, ob Cosimo bereit ist, Euch zu empfangen. Er …« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und Anne hatte den Verdacht, dass er überlegte, ob er lieber eine Geschichte erfinden oder in diesem besonderen Fall eher die Wahrheit sagen sollte. »Er liegt noch im Bett, versteht Ihr?«
    »Ja, ich verstehe sehr wohl«, erwiderte Anne freundlich, ging, ohne auf eine entsprechende Einladung zu warten, an Anselmo vorbei in die Halle und begann ihre Handschuhe auszuziehen und sich den Mantel von den Schultern zu nehmen. Ungewöhnliche Menschen erforderten ungewöhnliche Mittel. »Ich weiß, dass ein Besuch in den frühen Abendstunden

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