Verschwörung in Florenz
nach Wissensgebieten geordnet, und die einzelnen Bände standen in alphabetischer Reihenfolge und nach Sprachen sortiert in den Regalen. Und zweitens schien Cosimo im Gegensatz zu Giuliano ein wesentlich breiter gefächertes Interesse zu haben. Sie fand neben Lyrik und Romanen Werke über Mathematik und Philosophie, verschiedene Abhandlungen über Tiere und Pflanzen aus der ganzen im 15. Jahrhundert bekannten Welt, Bücher über Astronomie und Medizin.
Dies hier könnte ich Bea mitbringen, es würde sie bestimmt freuen, dachte Anne, als sie das arabische Original eines Werkes des berühmten arabischen Arztes Avicenna mit einer dazugehörigen Übersetzung entdeckte. Ihre Cousine war Ärztin und aus einem unerfindlichen Grund eine Bewunderin von Avicenna. Sie stellte das kostbare Buch an seinen Platz zurück und ging weiter.
Wirklich alle Wissenschaften schienen in Cosimos Bibliothek vertreten zu sein. Er besaß verschiedene Ausgaben der Bibel, eine Abhandlung von Thomas von Aquin, die Schriften des heiligen Franz von Assisi, ein Werk von Hildegard von Bingen, sogar der Koran und der Talmud standen hier friedlich nebeneinander. War Cosimo also nichts weiter als ein freier Geist, einer, der seiner Zeit in seinen Gedanken so weit voraus war, dass er deshalb unter seinen Zeitgenossen als Ausgestoßener galt? Und hatte ihn dieses Ausgestoßensein im Laufe der Jahre zum verbitterten Zyniker werden lassen?
Aber noch während sie darüber nachdachte und das Regal weiter ableuchtete, entdeckte sie etwas, das sie nicht nur entsetzte, sondern auch ihre gerade erst aufgestellte Theorie wieder über den Haufen warf. Direkt neben einer besonders schönen Ausgabe der Bibel, ein Buch, das so groß war, dass es nicht stehend, sondern liegend aufbewahrt werden musste, begann ein ganz anderes Themengebiet: Okkultismus. Zögernd beleuchtete sie die Buchrücken, die oft keine Inschriften trugen, sondern geheimnisvolle Zeichen, die nach Tiersymbolen oder Runen aussahen. Neugierig nahm sie eines nach dem anderen in die Hand und blätterte darin. Es waren Bücher über Dämonologie, Hexerei und alle Ausprägungen der schwarzen Magie.
Er muss einen eigenartigen Humor haben, dachte Anne, während sie ein Buch aufschlug, dessen Einband ein schwarzes Pentagramm zierte. Es war ein Werk über die Herstellung von Zaubertränken. Neugierig blätterte Anne darin, in der Hoffnung, das Rezept für das Elixier zu finden. Oder vielleicht war Cosimo ganz einfach verrückt und hielt sich für einen Zauberer? Er schien sich auch nicht vor der Meinung seiner Mitmenschen zu fürchten. Wenn ein Priester oder gar Bischof diese Bücher zu sehen bekommen hätte, wäre wohl nicht einmal mehr der Einfluss der Medici in der Lage gewesen, sein Leben zu retten. Andererseits war es nicht sehr wahrscheinlich, dass Geistliche oft bei Cosimo zu Besuch waren.
Das Rezept für das Elixier der Ewigkeit fand sie nicht. Doch als sie das Buch enttäuscht wieder an seinen Platz zurückstellen wollte, fiel ihr plötzlich etwas anderes ein, etwas, das ihr eine Schulfreundin vor vielen, vielen Jahren erzählt hatte. Wie alle Teenager hatten sie sich damals für alles Geheimnisvolle interessiert, für fremde Religionen, andere Kulturen und natürlich auch für Okkultismus. Die Freundin hatte ihr erzählt, dass es »verbotene Bücher« geben solle, Bücher, die nur die »Eingeweihten« lesen durften. Jeder andere hingegen lud einen Fluch auf sich, sobald er eines dieser Bücher berührte. Anne schluckte. Seit Jahren hatte sie nicht mehr daran gedacht. Weshalb fiel ihr das ausgerechnet jetzt ein? War es etwa eine Warnung?
Unsinn, schalt sie sich und schob das Buch energisch in das Regal zurück. Allmählich begann sie wohl doch durchzudrehen. Magie, Hexerei, Zauberei, rätselhafte Flüche … das alles war nichts anderes als Aberglaube.
Und wenn sie nun doch versehentlich eines dieser »verbotenen Bücher« in der Hand gehalten oder sogar geöffnet hatte? Vielleicht bewahrte Cosimo diese Bücher deshalb offen und für jeden seiner Besucher sichtbar auf. Der Neugierige strafte sich selbst, indem er einen Fluch auf sich lud. Und genau das war jetzt auch ihr passiert. Vielleicht würde sie krank werden. Oder eine Fehlgeburt …
»Reiß dich zusammen, Anne!«, befahl sie sich laut. »Du bist nicht verflucht. Du solltest deinen Verstand gebrauchen.« Aber das Elixier …
»Unsinn!«, sagte sie streng und brachte damit die seltsamen Gedanken zum Schweigen, die immer noch
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