Verschwörung in Florenz
außer ihm selbst noch schliefen. Doch an diesem Tag säumte er nicht wie gewöhnlich, er tanzte nicht über das feuchte Gras oder nahm ein kühles Bad im Neptunsbrunnen. Er wusste, dass Cosimo auf ihn wartete – und natürlich auf die Nachricht über seinen Erfolg.
Ohne auch nur einmal anzuhalten, um Atem zu schöpfen, eilte Anselmo im Laufschritt nach Hause. Er war es gewohnt zu laufen, er war es gewohnt, nicht in der Nacht, sondern bei Tag zu schlafen. Schon als kleiner Knabe war er um diese Zeit durch die Straßen von Florenz gelaufen, hatte seinen Ziehvätern die Diebesbeute der Nacht gebracht – Geldbörsen von Männern, die nachts betrunken durch die Straßen der Stadt torkelten, billigen Schmuck von jenen Damen, die ihre Liebesdienste in den stinkenden Kellerspelunken anboten, Waren aus Läden, deren Besitzer unvorsichtigerweise eine Luke oder ein Fenster hatten offen stehen lassen. Einmal war es ihm sogar gelungen, in das Geschäft eines der Juwelenhändler am Ponte Vecchio einzusteigen. Zwei Säcke voller Ringe, Ketten, Broschen, Armbänder und Edelsteine hatte er herausgeschleppt und seinen Ziehvätern gebracht. Sein Lohn war ein größeres Stück Brot als gewöhnlich und eine Decke auf seinem Strohlager in der Ecke des Werkzeugschuppens gewesen. Manchmal, wenn Anselmo an diese Zeiten zurückdachte, fragte er sich, weshalb er nicht viel eher davongelaufen war, weshalb er die gestohlenen Juwelen damals nicht einfach behalten und für den Rest seiner Tage ein sorgenfreies Leben geführt hatte. Doch er war ein Junge gewesen, ein Kind, das sich nichts mehr gewünscht hatte als einen Ort, an den es jeden Abend und jeden Morgen zurückkehren konnte. Eine Familie. Dafür hatte er damals sogar Schläge und schlechtes Essen in Kauf genommen. Und jetzt?
Hin und wieder, wenn er gerade einen Auftrag für Cosimo erledigt hatte und sich wie jetzt auf dem Heimweg befand, setzte sich ein Teufelchen in seinen Nacken und stellte ihm die Frage, ob sich seit jenen Tagen seine Situation verbessert hatte. Manchmal glaubte er, dass die Gerüchte, die in der Stadt über Cosimo kursierten, doch wahr waren, dass er seine Seele dem Teufel verkauft hatte. Doch dann kam er nach Hause, Cosimo bot ihm einen Stuhl am Kamin an, schenkte ihm erlesenen Wein in teure Kelche und sprach mit ihm wie mit einem Gleichgestellten, und dann wusste er, dass er bis ans Ende seiner Tage seinen Platz gefunden hatte. Cosimo mochte sein Herr sein, der über ihn verfügen konnte, vielleicht war er sogar der Teufel persönlich, doch er war vor allem sein Freund.
Lautlos, um keinen der anderen Diener zu wecken, öffnete Anselmo die Haustür und ging, ohne den Mantel abzulegen, geradewegs in die Bibliothek.
Die Bibliothek war dunkel. Das Feuer im Kamin war bereits heruntergebrannt, doch im Schein der Glut konnte er Cosimo in seinem Sessel sitzen sehen. Ob er wohl doch eingeschlafen war? Unschlüssig, was er tun sollte, blieb Anselmo mitten in der Bibliothek stehen. Er wollte seinen Herrn nicht unnötig wecken, wusste er doch, wie wenig Schlaf er fand, wie oft er Tag und Nacht Bücher wälzte und geradezu verzweifelt nach Antworten suchte. Wenn er jetzt schlief, so hatte er es sich verdient. Aber er wusste auch, wie dringend Cosimo auf das wartete, was er ihm heute – endlich – erzählen konnte.
»Komm näher, Anselmo, ich schlafe nicht«, sagte Cosimo gerade in dem Augenblick, als Anselmo sich seinerseits dazu entschlossen hatte, ihn zu wecken. »Setz dich und berichte. Hast du etwas herausfinden können?«
Anselmo trat rasch näher, ließ sich in den anderen Sessel fallen und holte tief Luft.
»Heute hatte ich endlich Erfolg, Herr«, sagte er. »Alice, das Küchenmädchen, hat gesungen wie eine Feldlerche. De Pazzi soll sich an eine der Dienerinnen aus Giulianos Haus herangemacht haben. Es soll ein Mädchen sein, das dort angeblich unter der alten Matilda leidet und am liebsten die Dienststelle wechseln würde. De Pazzi hat sie, so erzählte wenigstens Alice, wohl mit Süßigkeiten angelockt und gefügig gemacht. Sie soll ihm mittlerweile förmlich aus der Hand fressen. Was die Magd ihm allerdings nützen soll, ob er geschäftliche Geheimnisse ausspionieren lässt oder etwas anderes im Schilde führt, konnte Alice nicht sagen. Sie konnte nur versichern, dass es sich keinesfalls um eine Liebschaft handeln könne. De Pazzis Bett würde keine Frau teilen, sagte Alice, das wüsste sie genau. Er soll die Ehelosigkeit ernster nehmen als ein
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