Verschwörung in Florenz
seine krummen Beine ihn tragen konnten. Als er kurz darauf in Begleitung von Matilda und mit den geforderten Kleidungsstücken zurückkehrte, standen Schweißperlen auf seiner Stirn. Ohne Zweifel hatte sich der Diener angestrengt, sich beeilt, den Wünschen des Gastes seines Herrn nachzukommen. Er war alt, und gewiss war es auch mit seiner Gesundheit nicht zum Besten bestellt. Doch Cosimo riss ihm die Kleidung aus den Armen, legte sich mit seiner Hilfe den Umhang um die Schultern und zog hastig die Handschuhe an.
»Herr, wünscht Ihr, dass ich dem Kutscher Bescheid gebe, damit er vorfährt?«, fragte der Alte.
»Nein. Ich werde noch einen Spaziergang durch die Stadt unternehmen. Er soll allein zurück auf mein Landgut fahren.« »Aber, Herr, wie kommt Ihr dann selbst …«
»Das lass nur meine Sorge sein«, unterbrach Cosimo ihn und trat auf die Tür zu. »Hättest du nun endlich die Güte, mir die Tür zu öffnen?«
Hastig beeilte sich der Alte, den schweren Flügel aufzuziehen.
»Ich empfehle mich«, sagte Cosimo kurz und trat auf die Straße hinaus.
»Es wird noch einmal ein schlimmes Ende mit ihm nehmen«, sagte Matilda zu dem alten Hausdiener.
»Ja«, stimmte Enrico zu und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Wenn ihn niemand umbringt, wird gewiss eines Tages der Teufel kommen und ihn holen.«
Cosimo hatte jedes einzelne Wort der beiden gehört. Weder Matilda noch der alte Enrico hatten sich Mühe gegeben, besonders leise zu sprechen. Aber es interessierte ihn nicht. Sollten sie ihn doch für ein verdammenswertes Geschöpf halten, für einen Sohn der Hölle, für die Ausgeburt des Bösen. Letztlich konnte es ihm egal sein.
Vielleicht haben sie sogar Recht, dachte er, während er mit langen Schritten die Straße entlangeilte. Vielleicht haben sie Recht.
Als er den Brief seines Vetters Giuliano am frühen Morgen erhalten hatte, hatte er dem Kutscher befohlen, das Pferd einzuspannen und ihn nach Florenz zu fahren. Giulianos Bitte hatte eilig geklungen, allerdings nicht dringend genug, als dass Cosimo sich gezwungen gesehen hätte, auf ein ausgiebiges Frühstück und eine geruhsame Fahrt durch den schönen klaren Herbstmorgen zu verzichten. Nun allerdings ärgerte er sich über diese Entscheidung. Ein schneller Ritt in der immer noch frischen Luft hätte ihm gewiss gut getan, während ihm der Gedanke an das untätige, stille Herumsitzen in der schwerfälligen Kutsche schier unerträglich schien – nach dem, was er soeben erfahren hatte.
Cosimo überquerte den Ponte Vecchio, der sich eines regen Besucherandrangs erfreute. Einige der Goldschmiede, vornehmlich Juden, hatten ihre Geschäfte geöffnet. Es war Sonntag. Heute waren die Geldbeutel offener als gewöhnlich. Selbst Geizkragen ließen sich am Sonntag dazu herab, ein paar ihrer sorgsam gehüteten Kupfermünzen herzugeben. Und das wusste jeder auf seine Weise zu nutzen, die Händler, die Ehefrauen und natürlich auch die Bettler, die im Rinnstein zwischen den dicht aneinander gedrängten Häusern saßen und jammernd und wehklagend ihre Hände den gemächlich an ihnen vorüberflanierenden Männern und Frauen entgegenstreckten.
Wahrscheinlich glauben alle, dass Gott Almosen und guten Gaben am Sonntag mehr Aufmerksamkeit schenkt als an anderen Tagen, dachte Cosimo. Nichts geschieht in dieser Welt ohne Gegenleistung oder Hintergedanken.
Schleunigst ließ er die alte Brücke mit ihren Geschäften hinter sich und schlug einen Weg ein, der ihn aus der Stadt hinaus zu einem Wäldchen führte. Entschlossen erklomm er den Hügel und dachte daran, wie er gemeinsam mit Giacomo denselben Weg emporgestürmt war – damals vor mehr als dreizehn Jahren. Voller Erwartung und Enthusiasmus waren sie gewesen, voller Jugend und Idealismus. Und jetzt? Was war davon geblieben?
Cosimo hielt auf halbem Weg zu San Miniato al Monte auf der Lichtung an und sah auf die Stadt hinunter, die sich wie ein bunter, aus lebendigen Fäden gewebter Teppich zu seinen Füßen ausbreitete. Der Arno funkelte im Licht dieses sonnigen Herbsttages, als hätte jemand einen Sack Gold über seinen Fluten ausgeschüttet. Die Fassaden und Dächer der Häuser glänzten wie polierter Marmor. Seit dreizehn Jahren war Cosimo nicht mehr hier gewesen. Die Stadt hatte sich in all den Jahren nicht verändert. Man musste schon sehr genau hinsehen, um zu erkennen, dass das eine oder andere Haus ein zusätzliches Stockwerk oder die Fassade eine andere Gestalt erhalten hatte. Im Laufe der Jahre hatten Besitzer
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