Verschwörung in Florenz
versuchen.«
Giuliano sah Anne an, und ein warmes Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Ihr hättet mehr Grund als jeder andere, meinen Vetter zu verurteilen. Und doch seid Ihr bereit, ihm allein auf sein Wort hin zu verzeihen.« Er griff nach Annes Hand, beugte sich über sie und küsste sie. »Ich bewundere Euren Großmut.«
Giuliano nahm wieder auf seinem Schemel Platz und begann ihr Neuigkeiten aus der Stadt, über seinen Bruder und den Maler Botticelli zu erzählen. Anne lächelte. Die Aufmerksamkeit des jungen Medici schmeichelte ihrem Ego. Und was sie dabei so ganz nebenbei über das Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts erfuhr, hätte jeden Historiker vor Neid erblassen lassen. Trotzdem konnte sie sich nicht ganz auf seine Plauderei konzentrieren. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Cosimo und dem Gespräch zurück. Der Cosimo, den sie auf dem Kostümfest kennen gelernt hatte, war ganz anders gewesen – älter, wissender, vielleicht auch etwas melancholischer und düsterer, jedenfalls nicht so vorlaut, so hochmütig und zynisch. Und trotzdem wusste sie, dass es sich um ein und denselben Mann handelte. Cosimo Mecidea war niemand anderes als Cosimo de Medici, der Vetter von Giuliano de Medici – nur eben ein paar Jahre jünger. Für diese Theorie sprach auch Mecideas Vorliebe für das 15. Jahrhundert, die Museumsstiftung, sein Mäzenatentum. Die Frage war nur, wie Cosimo de Medici in das 21. Jahrhundert geraten war. War er auf dem gleichen Weg in die Zukunft gereist wie sie in die Vergangenheit? Oder war er tatsächlich eine Art Dorian Gray, ein Mensch, der seit über fünfhundert Jahren lebte und aus einem unerfindlichen Grund weder altern noch sterben konnte? Hatte dieser Mann das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt?
Wenn das wirklich wahr sein sollte, so ist er jedenfalls im Laufe der Jahre nicht besonders glücklich damit geworden, dachte Anne, als sie sich an Mecideas dunkle Augen erinnerte. Es waren Augen voller Überdruss, Langeweile, Melancholie und Kälte. Uralte Augen.
Schauer liefen über ihren Rücken. Es war ein erschreckender Gedanke. Aber wie passte das alles zu dem jungen Cosimo und seinem Verhalten ihr gegenüber? Sie hatte einen Blick von ihm aufgefangen. Er wusste bestimmt nicht, wer sie war – zumindest noch nicht. Aber irgendetwas hatte ihn beschäftigt. Der Blick, mit dem er sie gemustert hatte, nachdem sie und Giuliano ihm den Brief gezeigt hatten, war nachdenklich gewesen und misstrauisch und gleichzeitig voller Furcht. Ja, das hatte sie ganz genau gespürt. Aus irgendeinem Grund hatte Cosimo de Medici Angst vor ihr.
Der Auftrag
Wie von tausend Furien gejagt, stürmte Cosimo die Treppe zur Eingangshalle hinunter. Mägde mit Körben und Stapeln frischer Wäsche kamen ihm entgegen. Er scherte sich nicht um sie. Nicht einmal, als sie erschrocken vor ihm zurückwichen und sich zitternd und hastig bekreuzigend an die Wand pressten. Was sie über ihn dachten, war ihm gleichgültig. Mochten sie doch glauben, er sei besessen. Mochten sie doch glauben, er sei ein Teufel, ein Dämon – oder wenigstens der Gesandte eines solchen. Das war ohne Belang. Die Diener waren einfältig und dumm. Ihr Leben kreiste um einfache Dinge – arbeiten, essen, schlafen, Kinder zeugen, sterben. Dazwischen besuchten sie brav jeden Sonntag die Messe, sprachen täglich ihre Gebete und legten regelmäßig ihre Beichte ab. Sie hatten nicht einmal die Spur einer Ahnung, dass die Wahrheit mehr als ein Gesicht besaß. Endlich hatte er die Halle erreicht.
»Enrico!«, rief er und wunderte sich über das Echo, das von den immer noch kahlen Wänden der Halle zurückgeworfen wurde. Giuliano wohnte noch nicht lange in diesem Haus. Offensichtlich hatte er noch nicht die Zeit gefunden, sich angemessen einzurichten. »Enrico!«
Vielleicht sollte ich ihm bei der Dekoration helfen, dachte Cosimo. Nur um mich zu zerstreuen.
Mit langen Schritten marschierte er auf und ab, während er mit zunehmender Ungeduld auf den Hausdiener wartete.
»Enrico! En…«
»Herr, ich komme schon!« Der alte Mann kam mühsam die Treppe hinuntergewatschelt. Er ächzte und stöhnte bei jedem Schritt, sein Gesicht war rot, und er keuchte vor Anstrengung. »Ich komme ja schon.«
»Wird auch Zeit!«, sagte Cosimo ungerührt. »Mein Umhang und meine Handschuhe. Hopp, hopp! Ich will nicht noch länger warten müssen.«
»Wie der Herr wünschen«, stieß der Alte zwischen zwei rasselnden Atemzügen aus.
Er watschelte davon, so schnell
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