Verschwörung in Florenz
Brosche. Allerdings vermute ich, dass sein Harlekinskostüm für gewöhnlich sein wahres Aussehen so gut zu verbergen vermag, dass ihn ohnehin niemand erkennen würde.«
»Niemand außer Leonardo da Vinci«, erwiderte Cosimo und verneigte sich voller Anerkennung vor dem jungen Künstler. »Ich bewundere Euren Scharfsinn und Euren Blick. Beides ist wahrlich unfehlbar.«
Doch Leonardo winkte ab. »Ein Leichtes, wenn man versteht, seine Augen zu gebrauchen und auch wirklich zu sehen , wenn man sich umschaut.« Dann wandte er sich an Anselmo. »Doch vertraue mir, dein Geheimnis ist bei mir ebenso gut aufgehoben wie bei Cosimo de Medici. Und ich selbst trage nichts in meinen Taschen, das deiner Kunst eine Versuchung wert sein könnte.«
Er wollte Anselmo eine Hand auf die Schulter legen, doch der junge Mann wich einen Schritt zurück. Offensichtlich gingen ihm soeben all jene Gerüchte durch den Kopf, die in der Stadt über Leonardo da Vinci verbreitet wurden – und die kaum mehr der Wahrheit entsprachen als jene über Cosimo.
»Du brauchst Leonardo nicht zu fürchten, Anselmo«, sagte Cosimo.
»Nein, wahrlich. Ich bin kein Ungeheuer, wie es die regen Zungen auf den Straßen der Stadt so gern behaupten. Wohl stand ich zweimal vor Gericht, angeklagt der abscheulichsten Verbrechen, die Menschen sich erdenken können, doch beide Male wurde ich von jeder Schuld freigesprochen, weil die Anklagen jeder Grundlage entbehrten. Freilich spricht darüber niemand.« Er seufzte. »Ich würde mich deswegen nicht grämen, wenn ich weiterhin tun und lassen dürfte, was ich wollte. Doch man hat mir meine Lebensgrundlage entzogen, niemand erteilt mir mehr Aufträge. Und so friste ich ein schmähliches Dasein in Sandro Botticellis Werkstatt, inmitten von Stümpern und Tölpeln. Das ist auch der einzige Grund, weshalb ich heute Abend hier bin. Als Knecht des großen Botticelli ereilte mich die Ehre, das Gemälde herzubringen, aufzuhängen und abzudecken.«
Cosimo lächelte. »Ich gebe zu, ich bin neugierig. Mein Vetter Lorenzo durfte das Gemälde bereits sehen und ist voll des Lobes. Und auch Botticelli selbst wandert umher mit stolzgeschwellter Brust. Es sei ein Meisterwerk, so hörte ich ihn sagen. Doch was sagt Ihr?«
Leonardo neigte nachdenklich den Kopf. »Es ist gut. Ob nun ein Meisterwerk oder nicht …« Er zuckte mit den Schultern. »Die Zeit, die kommenden Generationen werden das beurteilen, nicht wir. Ich hatte jedenfalls nicht vermutet, dass Botticelli noch in der Lage ist, sich weiterzuentwickeln. Doch er belehrte mich eines Besseren. Dieses Bild ist ohne Zweifel das Beste, das er je gemalt hat.«
Cosimo lächelte. Er mochte Leonardo. Nicht nur, weil er ein heller Kopf und begnadeter Künstler mit vielen ungewöhnlichen Ideen war. Er mochte auch seinen Humor – und seine Ehrlichkeit. Es gab gewiss nicht viele Männer, die in seiner Lage noch anerkennende Worte für einen Rivalen gefunden hätten.
»Leonardo!« Botticellis Stimme erschall so herrisch durch den Saal, über den Klang der Instrumente hinweg, als würde er nach seinem Knecht rufen, um sich von ihm die Stiefel ausziehen zu lassen. »Leonardo, wo steckst du?«
»Entschuldigt mich, Cosimo«, sagte Leonardo und verneigte sich leicht. »Der Meister ruft mich. Vermutlich braucht er meinen Beistand, um die Enthüllung des Gemäldes vorzubereiten.«
Anselmo starrte dem Davoneilenden nach, eine Mischung aus Neugierde und Entsetzen im Blick.
»Er soll wirklich mit Tieren …«, begann er und erschauerte.
»Kaum zu glauben.«
»Wahr gesprochen, Anselmo. Es ist kaum zu glauben, wie niederträchtig und boshaft der Mensch sein kann. Leonardo wurde sogar gleich zweimal wegen Sodomie vor Gericht gestellt. Und es ist ebenso wenig wahr wie die Gerüchte, ich sei der Spross eines Dämons.« Anselmo sah ihn entsetzt an, und Cosimo lachte. »Du wirst dich an diese Verleumdungen gewöhnen und lernen müssen, nicht auf sie zu achten, wenn du beabsichtigst, in meinen Diensten zu bleiben. Und merke dir eines gut: Je mehr Leute in dasselbe Horn stoßen, umso hässlicher und fragwürdiger ist die Melodie, die daraus entspringt.«
»Ja, Herr, ich werde es mir merken.«
Lächeln, Hände ergreifen, sich auf beide Wangen küssen lassen und zurückküssen – eifrig halfen Anne und Giuliano Lorenzo und Clarice bei der Begrüßung der zahlreich eintreffenden Gäste. Seit sie den Saal verlassen hatte, konnte kaum mehr als eine halbe Stunde vergangen sein, doch Anne kam es bereits
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