Verschwörung in Florenz
Noch während sie sich fragte, was wohl eine passende, höfliche Antwort wäre, sprach Giacomo de Pazzi schon weiter.
»Verzeiht, gerne würde ich noch länger mit Euch plaudern, Signorina Anne, doch unser Gastgeber, der edle Lorenzo de Medici, winkt mir zu. Ich vermute, das Fest soll nun offiziell eröffnet werden, und unsere Anwesenheit wird vonnöten sein. Aber …«, er beugte sich vor und tätschelte ihren Arm, »… ich lade Euch herzlich ein, mich in meinem Heim zu besuchen. Ich werde Euch einen Boten schicken. Wir können dann ungestört miteinander plaudern.«
»Danke, gern«, sagte Anne, nicht wenig überrascht über die unerwartete Einladung und die Freundlichkeit dieses Mannes.
»Nun lasst mich Euch in den Festsaal geleiten. Darf ich Euch um die Ehre Eures Armes bitten?« Lorenzo bot der alten Donna Lucia seinen Arm mit dem wohl charmantesten Lächeln, zu dem er fähig war. Ihr Mund verzog sich zu etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte, aber da sie nicht ablehnen konnte, ohne einen Skandal heraufzubeschwören, nahm sie den angebotenen Arm an. Lorenzo gab Clarice einen Wink, die sich mit entzückendem Lächeln an Giacomo de Pazzi wandte und ihn bat, sie nun an Stelle ihres Ehegatten in den Festsaal zu führen.
Giuliano ergriff Annes Arm. »Na, was denkst du über Giacomo de Pazzi?«, fragte er leise.
»Er ist nett«, antwortete sie. »Ein überaus höflicher, netter Mann. Er hat mich zu sich eingeladen.« Sie runzelte nachdenklich die Stirn. »Kaum zu glauben, dass er und Cosimo einst eng miteinander befreundet waren.«
»Ja, das denke ich auch immer wieder«, entgegnete Giuliano.
»Und niemand weiß, weshalb diese Freundschaft auseinander ging?«
Giuliano schüttelte den Kopf. »Nein. Keiner von beiden hat jemals ein Wort darüber verloren. Natürlich hat jeder von uns seine eigenen Vermutungen. Ich glaube, es ging um Giovanna, Giacomos Schwester. Cosimo hat ihr eine Zeit lang den Hof gemacht, heimlich, und sie soll ihm geradezu hörig gewesen sein. Es war schon immer so, dass die Mädchen alles für ihn getan hätten. Vielleicht hat er es bei Giovanna übertrieben und sie in Schande gebracht, die Familie Pazzi hat es herausgefunden und ist eingeschritten. Und Giacomo ist vielleicht einfach zu höflich und zu anständig, um etwas zu erzählen.«
Anne nickte. So könnte es tatsächlich gewesen sein. Vielleicht hatte die Familie Pazzi auf eine angemessene Entschuldigung und Genugtuung durch die Familie Medici gewartet. Vergeblich, weil Giacomo aus Scham geschwiegen und Cosimo seinerseits natürlich den Mund gehalten und niemandem erzählt hatte, was er getan hatte. Wahrscheinlich war er sich noch nicht einmal einer Schuld bewusst. Und statt Schuldgefühle zu entwickeln, begann er die Pazzi zu hassen – allen voran Giacomo. Er intrigierte gegen sie, schädigte ihren Ruf und sorgte dafür, dass die Verschwörung, bei der Giuliano ums Leben kommen würde, den Pazzi in die Schuhe geschoben wurde. Ja, das passte alles zusammen. Doch weshalb hatte Cosimo sie dann mit Hilfe dieses rätselhaften Elixiers in die Vergangenheit geschickt? Hatte er etwa im Laufe der Jahrhunderte genug Zeit gehabt, doch noch ein schlechtes Gewissen zu entwickeln, und wollte nun mit ihrer Hilfe diesen Fehler wieder gutmachen? Ja, es passte zusammen. Und trotzdem hatte sie Zweifel an dieser Theorie. Cosimo war gewiss unkonventionell, ein Zyniker, das schwarze Schaf der Familie, und bestimmt war er auch verrückt – zumindest nach den Maßstäben des 15. Jahrhunderts. Doch machte ihn das auch zum Mörder? War er nicht nur verrückt, sondern boshaft und wahnsinnig? Es fiel ihr schwer, daran zu glauben. Warum? Etwa weil er hochintelligent war? Nein, so ehrlich war Anne nun doch. Giulianos Worte fielen ihr wieder ein. »Die Mädchen hätten alles für ihn getan.« Genau das war es. Auch sie konnte sich dieser fatalen Anziehungskraft nicht entziehen – ein Gedanke, für den sie sich schämte.
Ich muss mit Giacomo de Pazzi reden, beschloss Anne, während sie an Giulianos Seite auf die große Flügeltür zuging, die zum Festsaal führte. Wenn ich ihn besuche, muss ich das Gespräch unbedingt auf Cosimo bringen. Er kennt ihn. Er wird mir sagen können, wie verrückt Cosimo tatsächlich ist. Und dann weiß ich, womit ich rechnen muss.
Sie traten in den Saal. Hunderte von Kerzen brannten in den beiden großen Kronleuchtern. Ihr warmes Licht spiegelte sich in den silbernen Schüsseln, und die Juwelen an den Armbändern, Ringen
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