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Verschwörung in Florenz

Verschwörung in Florenz

Titel: Verschwörung in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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wie Stunden vor, und noch immer nahm der Strom der Gäste nicht ab.
    Hat Florenz überhaupt so viele Einwohner?, dachte sie, während sie die feuchten Küsse einer dicken, unförmigen Frau ertragen musste. Sie war schweißgebadet und ihr Gesicht schmerzte, als hätte sich das Lächeln in ihre Züge eingebrannt, sodass sie bis ans Ende ihres Lebens mit einem dämlichen Grinsen würde herumlaufen müssen. Nie wieder würde sie verächtlich von den Mitgliedern der europäischen Königshäuser sprechen, das schwor sie sich. Stundenlanges Winken, Händeschütteln und Lächeln war Knochenarbeit. Lieber würde sie in einem zehnstöckigen Bürogebäude alle Toiletten putzen.
    »Wir haben es gleich geschafft«, flüsterte Giuliano, dessen Lächeln ebenfalls nicht mehr so frisch und natürlich aussah wie am Anfang. »Das müssten alle Gäste sein.«
    »Nein, die Pazzi sind noch nicht eingetroffen«, sagte Lorenzo leise, nachdem er einem glatzköpfigen Mann beide Hände geschüttelt und ihm empfohlen hatte, sich in den Festsaal zu begeben.
    »Natürlich nicht«, entgegnete Clarice spitz. »Diese Leute lieben doch den großen Auftritt. Es würde mich keinesfalls wundern, wenn sie so spät eintreffen würden, dass wir gezwungen wären, mit der Enthüllung des Gemäldes auf sie zu warten. Es ist mir ohnehin unbegreiflich, weshalb du sie einladen musstest. Sie legen für gewöhnlich auch keinen Wert auf unsere Gesellschaft und kommen vermutlich aus Bosheit zu spät, um uns den Abend zu verderben.«
    »Die Pazzi sind eine einflussreiche Familie, die ebenso das Gesicht unserer Stadt prägt wie die unsere, Clarice. Außerdem wirst du diesmal wohl nicht Recht behalten, meine Liebe«, erwiderte Lorenzo, und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Dort sind sie bereits. Die ganze Familie Pazzi. Ich erwarte von euch, dass sie besonders zuvorkommend behandelt werden.«
    Clarice straffte die Schultern, hob den Kopf und setzte ein derart strahlendes Lächeln auf, als könnte sie sich nichts Schöneres vorstellen, als die Mitglieder der Familie Pazzi in ihrem Haus willkommen zu heißen.
    Anscheinend ist alles nur eine Frage des Trainings, dachte Anne, die Clarice allmählich für ihre Selbstbeherrschung zu bewundern begann. Sie versuchte es ihr nachzumachen, hob das Kinn und lächelte, doch sie war müde und erschöpft. Ein Glas Champagner hätte sie vermutlich wieder auf die Beine gebracht, aber der war hier nicht zu kriegen.
    Die Pazzi kamen zu elft. Höflich, mit einem reizenden Lächeln stellte Giuliano Anne ein Mitglied nach dem andern vor. Keines von ihnen war ihr besonders sympathisch. Donna Lucia de Pazzi, die Mutter des Oberhauptes der Familie, reichte Anne kühl ihre knochige Hand. Sie war eine dünne alte Frau, die sich beim Gehen auf einen Stock aus Ebenholz stützte. Ihr schmales, runzliges Gesicht wurde von einem schwarzen, mit Klöppelspitzen verzierten Schleier umrahmt. Auf den ersten Blick wirkte sie zart und gebrechlich, doch der Eindruck täuschte. Ihre blauen Augen waren wie Stahl und sprachen von einem unbeugsamen Willen. Sie musterte Anne abschätzend, und der Blick ihrer durchdringenden Augen machte sie ein wenig nervös. Nach einer Weile nickte Donna Lucia gnädig, so als wollte sie kundtun, dass aus ihrer Sicht gegen Annes Anwesenheit in diesem Haus nichts einzuwenden war.
    Giovanna wirkte an diesem Abend noch bleicher und geisterhafter als an dem Tag, als sie Anne besucht hatte. Ihre Augen irrten unablässig hin und her. Sie schien nicht zu verstehen, wo sie war und aus welchem Grund. Annes Hoffnung, an diesem Abend mehr von ihr zu erfahren, sank auf den Nullpunkt.
    Die Männer der Familie Pazzi, deren Namen alle ziemlich ähnlich klangen, machten auf Anne keinen besonderen Eindruck. Sie wirkten weder bösartig noch verschlagen. Sie begrüßten sie nur flüchtig und schienen ansonsten einfach nur froh zu sein, dass sie an diesem Abend nicht mit Feindseligkeiten der Medici zu rechnen hatten.
    Anne begann sich bereits zu fragen, ob sie der richtigen Familie gegenüberstand. Wohl vermochte sie sich gut vorzustellen, dass die Pazzi Konkurrenten durch allerlei geschickte Winkelzüge aus dem Feld schlagen und in den Ruin treiben konnten. Sie waren eben tüchtige Geschäftsleute. Aber das einer von ihnen eine Verschwörung anzetteln und einen Mord planen sollte, hielt sie für ausgeschlossen. Es waren Männer, die ihre Taten – ob gut oder schlecht – mit Federkiel und Geldbeutel begingen,

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