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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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er auf. »Das ist denn doch seltsam. Der Sohn unseres Vaters Kossuth mit einem österreichischen Orden um den Hals. Die Leute im Casino in Bánffyhunyad wunderten sich sehr. Sie sagten, er sei nun auch ein Jasager-Hinterbänkler geworden, und sie schimpften mächtig über ihn.« Hastig fügte er hinzu: »Natürlich habe ich den Herrn Minister in Schutz genommen, wo er doch mein politischer Führer ist!« Das war zwar gelogen, denn auch er hatte einige höhnische Worte zum Besten gegeben, doch in den Augen eines so einflussreichen Herrn wie Abády suchte Simó loyal zu erscheinen. Er schwieg wieder, dann meldete er sich mit einer Frage: »Und die Fusion, kommt sie zustande?«
    Verhandlungen waren in der Tat im Gang. Die Unabhängigen wollten die von Andrássy vorgelegte Reform des Wahlrechts anders nicht unterstützen. Es wäre denn auch klug gewesen, sich zu einigen. Man hätte auf diese Weise dem ewigen Geplänkel zwischen den Koalitionsparteien ein Ende gesetzt, den Reibereien, zu denen es zwar nur im Geheimen, aber doch ständig kam, was die Aktionsfähigkeit der Regierung völlig lahmlegte. In allen Fragen musste man feilschen und Zugeständnisse machen. Das System war auf solche Art unfähig, ernsthaft schöpferisch zu wirken. Schwulst nur und nationale Phrasen machten unbehindert die Runde. Die Fusion wurde aber vom geplanten Wahlrecht auch behindert. Der von Gyula Justh geführte radikalere Flügel der 48-er stellte sich gegen das Prinzip des »pluralistischen Stimmrechts« 60 , das, wie es hieß, den Eckstein von Andrássys Vorschlag bildete.
    »Das weiß Gott allein«, antwortete Abády, »als Parteiloser kenne ich diese Dinge zu wenig.« Er wollte über die Frage nicht sprechen. Verfrühte Worte konnten nur schaden. Sprechen mochte er umso weniger, als er eine Einigung zutiefst wünschte, eine Lösung, die das Zusammenrücken der ernsthaften, regierungstauglichen Elemente der Koalition ermöglichte, jene aber ausstoßen würde, deren Rolle einzig darin bestand, Radau zu machen. Notwendig wurde dies auch durch die zunehmend düsteren Ereignisse im Ausland. Kraft und Einigkeit der ungarischen Regierung waren gefragt, da die Balkanfrage infolge der türkischen revolutionären Bewegungen leicht akut werden konnte. Simó lenkte, wie wenn er Bálints Gedanken erraten hätte, das Wort auf die Nachrichten aus der Türkei, obwohl er sich möglicherweise bloß mit seinen politischen Kenntnissen brüsten wollte:
    »Und was sagen Sie zu den Neuigkeiten aus der Türkei, mein lieber Graf? Wahrhaftig, eine großartige Entwicklung. Jetzt, da es eine türkische Verfassung gibt, könnten wir von dort beträchtliche Unterstützung gegen Wien bekommen. Türken und Ungarn sind Brudernationen. Wir sind auch in der Vergangenheit zusammen gegen die Deutschen marschiert. Unlängst haben wir uns im Casino in Hunyad gerade hierüber unterhalten …« Und nun begann er sein Anliegen umständlich zu entwickeln. Er berief sich auf Bocskay und Gábor Bethlen 61 und skizzierte den Plan eines großen Bündnisses, laut dem das ungarische und das türkische Parlament zusammenspannen und Österreich in die Knie zwingen würden. Es war eine töricht verworrene Geschichte, die Bálint äußerst ärgerlich stimmte. Er konnte es kaum erwarten, sich vom politisierenden Notar zu trennen. Ein Pfad seitwärts in den Wald kam ihm gelegen, der für einen Reiter zwar zu eng war und stellenweise durch schwierige, felsige Strecken zum Priszlop führte, aber es schien ihm alles besser, als solchen Sprüchen zuhören zu müssen.
    »Ich mache hier die Abzweigung, guten Tag«, unterbrach er Simó mitten in einem Satz und schwenkte in den Pfad ein. Seine Leute folgten ihm.
    Der Notar von Gyurkuca stand betreten still. »Sieh dir diesen aufgeblasenen Magnaten an!«, murmelte er vor sich hin. Dann ritt er auf dem hier noch kahlen Steilhang weiter. Nach einer guten Viertelstunde erreichte auch er den Waldrand. Hier hielt er und spähte in die Runde. Er öffnete die Schnalle seiner Revolvertasche, die er am Gurt um die Hüfte trug. Den Deckel klemmte er hinter der Waffe fest, damit der Griff frei, gleich zur Hand sei. Dann drang er langsamen Schritts in den Hochwald vor.

    Der kleine Pfad, auf den Bálint ausgewichen war, eignete sich in der Tat schlecht für einen Mann hoch zu Ross. Das kleine Pferd kam zwar überall durch, aber die Zweige über dem Weg hingen so tief, dass ein Reiter nur dann durchschlüpfte, wenn er sich im Sattel immer wieder bäuchlings nach

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