Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
welchem Weg man zur oberen Ecke des Priszlop hinaufgelangt.
András Zutor und seine Begleiter saßen am Fuß des Felsens. Ein Gespräch war im Gang. Bálint wurde erst auf die Stimmen aufmerksam, nachdem er hoch über ihnen am Rand der Steinwand angekommen war. Er wollte ihnen eben zurufen, er sei da, als ihm ein Satz ans Ohr drang, der ihn stutzen ließ: »Selbstverständlich hat der Notar Angst, darum wählt er den Weg hier …«
Sie sprachen natürlich rumänisch, mittlerweile aber verstand er ihre Sprache schon gut. Neugier packte ihn, was das vorhin Gesagte bedeuten könnte. Er blieb folglich stehen. Bewegungslos. Es war der junge Cula, der Bursche aus Pejkója, den man in der Regel zur Pflege der Pferde anheuerte, wenn Bálint einen Ausflug im Hochgebirge unternahm, der vorhin gesprochen hatte.
»Aber klar hat er Angst!«, fiel Schukuzo ein. Er wohnte am Gyalu Boti neben dem Weg, der von Béles direkt nach Retyicel führt. »Wie sollte er nicht, wo er doch eben in nächster Nähe bei uns vorbeikam, als auf ihn geschossen wurde.«
»Ist das wirklich wahr?«, wunderte sich Omolui, doch man sah ihm an, dass er schon längst alles erfahren hatte.
»Wo hat es sich zugetragen?«, fragte András Mézes Zutor.
»Drüben am Hang, wo der Weg am oberen Teil des Bachs Korbuluj die Kurve hinunter zu den Feldern macht.«
»Man hat aber doch nicht etwa von unserem Land aus geschossen?«
»Nein, keineswegs. Das Gewehr krachte im Revier der Gemeinde. Ich habe es klar gehört, ich stand vor meinem Haus. Fürs Erste rührte ich mich auch nicht weg.«
Der Alte lachte, knackte ein Ästchen zwischen zwei harten Fingern und warf es weg. »Es geht mich nichts an, was außerhalb unseres Reviers geschieht. Sehr viel zu wissen, ist nicht gut. Ich habe erst später nachgeschaut.«
Und nun berichtete er umständlich. Er sprach langsam, stoßweise, nach der Gewohnheit der Hochgebirgsleute. Wie der »Domnu Notar« zu Pferd an seinem Haus vorbeigezogen sei. Aus welcher Richtung er den Knall gehört habe. Nach einer halben Stunde habe er sich hinunter auf den Weg gemacht, aber niemanden mehr vorgefunden. Der Schütze hatte den Notar offensichtlich verfehlt. Er selber indessen habe den Ort des Geschehens ausfindig gemacht. Schukuzo stellte genaue Nachforschungen an, was nicht verwunderlich war, denn der Alte, einst ein wohlbekannter Wilderer, verstand wie kein anderer im Hochgebirge, Spuren zu verfolgen. Auf dem kotigen Weg ließ sich gut erkennen, dass Simó auf den Schuss hin sein Pferd zurückriss, dermaßen sogar, dass es ein Stückchen auf den Hinterbacken rutschte. »Ich wollte auch wissen, ob man ihn nur habe erschrecken wollen, oder ob …«, sagte Schukuzo. Er habe also nachgesehen und die Kugel gefunden. »Nach der Richtung zu urteilen, hatte man aus dem Buchenwald geschossen, von einer leicht erhöhten Stelle, denn der Hang davor ist steil. Die Kugel schlug in einen Stamm ein, in eine Weißtanne, genau über der Stelle, wo das Pferd ausgerutscht war. Wer auch immer geschossen hatte, er verstand sein Handwerk ziemlich gut«, und der Alte lachte wieder, um dann zum Zeichen der Anerkennung recht weit auszuspucken.
»Seitdem macht der Notar, wohin er auch geht, einen Umweg, damit man nicht weiß, was sein Ziel ist«, sagte Cula.
»Und seitdem hat er stets einen Revolver dabei«, bemerkte Crişan, und nun lachten alle leise und spöttisch.
»Eine Untersuchung hat noch nicht stattgefunden?«, fragte Mézes.
Der großgewachsene Pavel Teodor, der Forsthüter von Humpleu, antwortete: »Nein. Der Notar weiß sehr gut, dass man dergleichen ohnehin nicht untersuchen und aufklären kann. Es heißt, er spreche über den Fall gar nicht.«
»Schade um den wäre es wirklich nicht gewesen«, sagte der junge Cula.
Mézes hatte bisher nur Fragen gestellt und still seine Pfeife geraucht, doch jetzt herrschte er die Leute von Pejkója hart an: »Rede vor mir nicht solches Zeug! Überhaupt, es ist besser, wir ziehen weiter. Aufbruch!« Und er erhob sich.
Die Männer rappelten sich auf, die Pferde wurden zum Pfad geführt. Sie zogen los.
Bálint verharrte noch einige Zeit am Ort. Es wäre ihm unlieb gewesen, wenn sie erfahren hätten, dass sie von ihm belauscht worden waren. Erst als die anderen schon ein gutes Stück zurückgelegt hatten, setzte er ihnen nach. Seine Vorsicht erwies sich im Übrigen als unnötig, denn der obere Pfad, dem er folgte, beschrieb nach der Felswand hangwärts eine Kurve, und erst zuoberst, beinahe schon bei
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