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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Lachend verhöhnte er sich selber und auch die anderen, die über ihn lachten. Dieses halbwegs wache Bewusstsein hielt aber bei ihm nie lange an. Er vertrug den Wein nicht mehr und hatte bald schon einen ordentlichen Rausch.
    Einer der vergnügten Gäste erhob sich nun, seinen Gurt in der Hand. Er trat vor Gyerőffy, zwinkerte seinen Kumpanen zu – jetzt veranstalten wir einen kapitalen Scherz! – und: »Könnten Sie tanzen, Herr Graf, wenn ich Ihnen die Beine an den Knien zusammenbinde?«, fragte er boshaft. Erwartungsvoll wieherndes Gelächter quittierte den Vorschlag. Jemand rief: »Das wäre eine tolle Tat!« Und ein anderer: »Ich stifte einen Liter Wein, wenn Sie nicht hinfallen, Herr Graf!« László hielt inne. Blöde lachte er und sagte: »Gut … auf jede Art kann ich tanzen … auf jede beliebige Art …«
    Etwas regte sich in der schönen Frau Lázár. Vielleicht war es Mitleid, Teilnahme. Vielleicht erschütterte sie auch, dass Gyerőffy unbewusst gerade sie anstarrte, während man ihm die Knie zusammenband. Die Frau las in dem Blick einen Hilferuf, die stumme Klage des Opfertiers, obwohl Lászlós Wimpern wohl nur wegen des Alkohols nass waren. Sie kannte László einzig vom Sehen. Am Wohltätigkeitsbasar war er ihrem Stand gegenüber vor der Bodega gesessen, ohne sich fortzurühren, und er hatte sich auch damals betrunken. Er widerte sie dort eher an, aber sie verschwendete auf ihn keinen Gedanken. Hier überkam sie irgendein Muttergefühl, Beschämung auch wegen der menschlichen Gemeinheit, die den Wehrlosen verhöhnt. Sie stellte keinerlei Überlegung an. Der Instinkt entschied, nicht ihr Wille. Sie machte einige Schritte und stand schon bei Gyerőffy.
    »Lösen Sie den Gurt!«, rief sie dem Agenten zu, der vor Lászlós Füßen kniete. »Lösen Sie ihn! Schämen Sie sich nicht?!«
    Alle verstummten verblüfft. Ihr Ton, ihre ganze Haltung waren dermaßen gebieterisch, ihre großen, pflaumenförmigen Augen blickten so streng, dass niemand auch nur einen Mucks zu sagen wagte. Die Leute sprangen auf und öffneten ihr ehrerbietig eine Gasse, als sie Gyerőffy an der Hand nahm und wegführte. László folgte ihr wortlos, obwohl Frau Lázár ihm nur so viel gesagt hatte: »Und Sie kommen mit mir!«
    So schritten sie zwischen den Spalier stehenden Gästen aus dem Wirtshaushof hinaus: die breitschultrige, wie eine Königin gewachsene Frau und an ihrer Hand Gyerőffy, als wäre er ein Kleinkind.

    Draußen bugsierte sie ihn in die Kalesche. Das Dach ließ sie hochziehen – man sollte nicht sehen, wie sie mit diesem jungen Mann zusammen im Wagen fuhr. László schlief beinahe augenblicklich ein.
    Der Abend brach allmählich dunkel herein. Der Himmel war bedeckt, etwas später setzte leichter Regen ein. Die Pferde trotteten langsam dahin. László schlief immer noch. Sein Kopf knickte auf die Polsterung zurück. Wie schmerzerfüllt sein Gesicht im Schlaf ist, dachte die Frau. Der Hut des jungen Mannes war heruntergefallen, sie hielt ihn in der Hand. Lange betrachtete sie den Schlafenden: Wie bleich er ist! Seine zusammengewachsenen Brauen waren leicht auf die Stirn hinaufgerutscht, er schien zu klagen, seiner nicht bewusst. Wie ein durchgebranntes und verirrtes Kind, das den Heimweg nicht mehr findet, so war er …
    Anfänglich hatte sie mit ihm keinerlei Pläne. Sie hatte ihn bloß aus dieser Umgebung herausholen wollen, wo man ihn verhöhnte. Unterwegs nahm sie sich vor, ihn in Kozárd zu wecken und aussteigen zu lassen. Dort wohnte er ja, und jemand aus seiner Umgebung würde sich schon finden. Doch wie der Regen immer dichter fiel, zog sie sich tiefer unter das Dach der Kutsche zurück und bemerkte gar nicht, dass sie das Dorf passierten. Vielleicht tat es ihr gar nicht leid. Es wäre ja, sagte sie sich, ohnehin sonderbar, wenn sie hier vorfahren und einen betrunkenen jungen Mann abliefern, wenn sie mit Erklärungen dienen und Verfügungen treffen sollte. Sie wusste nicht einmal, wo die Residenz der Gyerőffys lag, nur so viel, dass sie irgendwo hier in der Gegend sein musste. Und dann war es auch spät, es galt, endlich nach Hause zu kommen, es ist Dienstagabend, ja, morgen Mittwoch würde sie in eigener Sache bei einer Verhandlung vor dem Kreisgericht dabei sein müssen. Und bis nach Dezmér war es noch ein weiter Weg.
    Wer sich selber etwas weismachen will, findet stets viele Argumente, zumal dann, wenn er sich bei seinem Tun nicht vom Verstand, sondern vom Instinkt leiten lässt. So war es am

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