Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
Doch die Freude hielt nicht lange an. Jetzt, einige Tage vor der Einberufung des Parlaments, zeigte es sich, dass Kristóffy statt auf die bürgerlichen Radikalen auf die landwirtschaftlichen Arbeiter losging. In Békés verbündete er sich mit András Achim sowie in der Pester Region mit anderen Agrarsozialisten, und gerade für den nächsten Tag kündigten sie unter dem Namen »Bauernpartei« und »Nationale Partei der Landleute« mehrere Versammlungen an. »Wie lächerlich, wahrhaftig! Diese Habenichtse wollen sie in Reih und Glied stellen, über Landverteilung und Auswanderung reden!«
    Das Unabhängigkeitslager kümmerte sich nicht um die bürgerlichen Radikalen, das schien eine städtische Geschichte zu sein, Sache von Intellektuellen. Die Sozialisten der Industriewelt wurden ebenso wenig beachtet. »Das sind ja doch keine ungarischen Unternehmungen!« Die eine Richtung nannte man »zuzi«, die andere »jüdisch«, und damit war alles erledigt. Der Versuch aber, dem Landvolk in den Dörfern eine Organisation zu verleihen, war etwas anderes, das erregte Besorgnis. Ähnliche Nachrichten trafen auch aus Somogy ein. »Dort macht irgendein István Szabó Umstände, ein echter, grobschlächtiger Bauer aus Nagyatád. Nun, dem muss Einhalt geboten werden!«
    Da ging es um das eigene Publikum der Politiker, um die ungarischen Bauern, um die Wähler, die man nicht närrisch und ihnen abspenstig machen sollte!
    Sie wünschten sich gleich drakonische Maßnahmen: Andrássy müsse Gendarmen hinschicken und die Versammlungen verbieten. Denn es sei unpatriotisch und wider die Nation, die Aufmerksamkeit der Wähler von der Frage der selbständigen Bank und des eigenen Zollgebiets abzulenken, wo sie selber gerade dafür kämpften! Es gehe nicht an, jetzt über den Tagelohn, die Frage der Landarbeiter und die Auswanderung zu sprechen. Und auch ungerecht, habe doch Darányi soeben das Gesetz über die Arbeitnehmer auf landwirtschaftlichen Gütern verabschieden lassen, es werde bloß noch nicht angewandt. Und auch für die Regelung der Auswanderung gebe es ein neues Gesetz, ferner einen Regierungsbeauftragten und einen ausgezeichneten Vertrag mit der Cunard-Line, und außerdem habe man in diesem Frühjahr in Fiume ein Amt gebaut, ein Palais für Auswanderungsfragen. »Es lässt sich wirklich sehen, es ist wundervoll!«
    Wie wagt man unter solchen Umständen zu behaupten, sie kümmerten sich nicht um das Volkswohl? Dem muss man ein Ende setzen!
    »Und wenn Andrássy sich auf seiner gräflichen Höhe in der Rolle des Unparteiischen gefallen möchte und sagen sollte, dass er die Versammlungsfreiheit achte und dass auch andere tun dürften, was uns erlaubt sei, und was dergleichen mehr ist, dann hat man ihm zu erklären, dass die Versammlungen, die wir einberufen, etwas anderes sind, denn sie sind patriotisch, während das, was die dort veranstalten, wieder etwas anderes ist, denn die sind Trabanten und Zuzilisten. Derartige Vereinigungen darf man nicht einmal tolerieren, nein, die nationale Pflicht befiehlt vielmehr, sie zu zertreten. Und wenn sich Andrássy weigern sollte, dann ließe sich ja hinzufügen, dass am Ende die Mehrheit im Haus den 48-ern gehört, sodass wir ihn, wenn wir wollten, stets überstimmen könnten.«
    So sprachen diejenigen, die an den Wahlkreisen auf dem Tiefland interessiert waren; die übrigen fühlten sich durch diese Bewegungen minder betroffen, denn schließlich dauerte es noch drei volle Jahre bis zum Ablauf der Mandate. Wer wollte im Voraus an so ferne Zeiten denken?
    Die neu versammelten Abgeordneten begrüßten einander im Zeichen dieser Hintergründe und Überlegungen; manche besprachen die Themen weithin schallend, andere setzten sie in Nischen und Ecken vertraulich auseinander, wieder andere erwogen im Dämmerlicht der Säulenhalle die Taktik, die sich angesichts der Sachlage aufdrängen könnte. Was in der Ferne geschah, kam nicht zur Sprache. Weltbewegende Ereignisse hatten sich allerdings nicht abgespielt. Symptomartige Vorfälle waren immerhin zu verzeichnen.
    In Susák, der Schwesterstadt von Fiume, hatte ein großes Sokol-Fest stattgefunden, Slowenen, Tschechen und Kroaten lagen einander in den Armen. Wenig später war es in Krain zu Unruhen, zu blutigen Zusammenstößen zwischen Slowenen und Deutschösterreichern gekommen. Aber das war ja eine Geschichte in Österreich, sie brauchte uns nicht zu interessieren. Allzu sehr ging es uns auch nicht an, dass man in Kroatien den Banus und seinen

Weitere Kostenlose Bücher