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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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her!« Und einer fand sich, der schmetterte schon dies: »Der Herr Graf ist ein 67-er, darum führt er diese Reden!« Darauf aber traten die Mitglieder aus den Oberland-Bezirken, Anhänger der vorangegangenen Regierungen, sogleich in Aktion, indem sie sich mit gewaltigen »Lasst-uns-hören!«-Rufen hinter den Redner stellten.
    Die Anwesenden spalteten sich wie üblich; keine Seite behielt die Sache selber im Auge, vielmehr setzte sich, hier wie dort, der Parteistandpunkt durch. Dies steigerte erst recht die Wut der gegenwärtig herrschenden Unabhängigen. »Keine Verleumdungen!« … »Beweise her, oder schweigen Sie!« … »Beweisen Sie, was Sie sagen, oder bitten Sie um Verzeihung!« – so riefen sie bereits. Die Leute von den Oberland-Bezirken schlossen sich an, denn sie wollten Schimpfliches über die Gegner vernehmen, und auch sie schrien nun: »Richtig! Beweise, die brauchen wir, heraus damit!«
    Als der Lärm ein wenig nachließ, hob Bálint die Hand. Alle verstummten erwartungsvoll. »Mit Beweisen, wenn es sie braucht, kann ich dienen«, sagte er, und ohne Namen zu erwähnen, erzählte er den Fall des Olajos-Buben. Er glaubte, die Leute im Saal würden sich damit begnügen. Dem war nicht so. Fürs Erste stutzten zwar die Vertreter der Unterland-Bezirke, doch als jene aus dem Oberland in künstliches Hohngelächter ausbrachen, da ließen es auch sie nicht dabei bewenden. Béla Varju, ein 48-er-Abgeordneter, sprang auf. Mit der Stimme einer Rohrdommel überschrie er den Chor der Lachenden: »Eine anonyme Geschichte kann nur eine Fälschung sein! Wenn der Herr keine Namen nennt, ist das Ganze eine einzige Verleumdung, nicht mehr!«
    Hier geschah nun wieder das, was Abády schon so oft widerfahren war. Er musste bedeutend weiter gehen, als dies seiner ursprünglichen Vorstellung entsprach. Als er sich erhoben hatte, hegte er die Absicht, am Ende seiner Ausführungen zu folgendem Schluss zu kommen: Der Waisenamtsrat als Aufsichtsbehörde solle Regeln ausarbeiten, die künftig eine strengere Kontrolle auferlegten. So weit vorzudringen, war ihm nun gar nicht mehr möglich. Die Wortmeldung wirkte jetzt nur noch als Angriff, und die Sache war zu einem Vorwand für den Zusammenstoß der örtlichen Parteien geworden. Und er selber wäre ohne Nennung der Namen tatsächlich wie ein Verleumder vor dem Publikum gestanden. Er zählte sie also auf. Zum Glück stellte er alles genau und zutreffend dar. Die dürren Namen, Zahlen und Daten bedeuteten eine kalte Dusche für die Leidenschaften der Koalitionsseite, zumal viele anwesend waren, die sich an den einen oder anderen Umstand noch erinnerten. Das Lager der 67-er wurde umso lauter. »So etwas!« … »Haben wir es nicht gesagt?« … »Unerhört!« … »Schande!« Und an die Stelle des künstlichen Gelächters trat nun die künstliche Empörung.
    Obergespan Ördüng übertönte sie mit seiner Glocke.
    »Bitte Ruhe!«, rief er mit seiner scharfen Stimme. »Sonst will ich den Antrag stellen, gegen diejenigen, welche den würdigen Ablauf der Versammlung stören, eine Buße zu verhängen!« Hernach richtete er seinen hasserfüllten Blick auf Abády.
    »Ich frage den Sprecher: Hat er sonst noch etwas zu sagen?«
    »Ja«, antwortete Bálint. Mit einigen Worten umriss er seinen Vorschlag, dann setzte er sich wieder.
    »Der Vorschlag kann nicht behandelt werden«, entschied trocken der Obergespan, der den Vorsitz führte, »denn er war nicht angemeldet. Er wird dem Ausschuss für Waisen-Fragen weitergereicht …«
    Abády erhob sich sogleich und verließ den Saal. Er flüchtete nicht vor den zornigen Anhängern der Koalitionsseite, sondern vor denen, die ihn unterstützten. Die Überlegung erfüllte ihn mit leichtem Ekel, dass sich auch diese Leute einzig mit Blick auf den Parteistandpunkt hinter ihn gestellt hatten und nichts außer dem Parteiinteresse kannten.

    Diese Wortmeldung zeitigte unerwartete Konsequenzen. Nach zwei Tagen erschien im Lokalblatt der Unabhängigen ein Artikel, den Dr. Zsigmond Boros, Abgeordneter und Anwalt, zeichnete. Er beschäftigte sich mit jenem Satz Abádys, nach dem »das Waisenamt künftig strenger prüfen sollte, aus was für Quellen es bei der Plazierung von Geldern der Waisenkinder seine Informationen bezieht«. Bálint hatte dies gesagt, um die persönliche Ehrlichkeit des alten Bartókfáy hervorzuheben. Boros berief sich nun, da er Abády angriff, auf diese Worte. Den Tatbestand bei der Olajos-Affäre zog er nicht in Zweifel. Der Artikel

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