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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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wahr?«
    »Die Gräfin ist vor drei Tagen abgereist«, sagte der Hauswart. Nachdem dann Bálint seinen Namen genannt und der Mitteilsamkeit des Mannes mit einer Krone nachgeholfen hatte, erzählte er gern alles. Er berichtete über jede Einzelheit des »traurigen Unfalls«, alles darüber, was er selber gedacht, gesagt und getan hatte, was Abády natürlich gar nicht interessierte; immerhin bekam er aber auch das zu hören, was er hatte erfahren wollen.
    Zsigmond Boros’ Familie war 24 Stunden nach dem Todesfall angelangt. Die Witwe und ihre zwei Söhne kamen geradewegs hierher, ins Haus, aber außer ihnen stellte sich auch noch ein Herr ein. Er war nicht mit den anderen, sondern allein gekommen. Die Familie verweilte eine Stunde im sechsten Stock und fuhr dann zum Friedhof. Jener andere Herr blieb aber da. Er ging in die Wohnung von Frau Gräfin Malhuysen. Was dort geschehen sei, wisse er nicht, sagte der Hauswart. Fest stehe nur, dass man am Abend das Gepäck der Gräfin heruntergebracht habe, und die Gräfin sei zusammen mit ihrer alten Kammerfrau verreist.
    »Und vorgestern, bitte«, berichtete der Hauswart empört, »als ich gerade zur Beerdigung gehen wollte, da kam auf einmal der gleiche fremde Herr von jenem Abend, zwei Gerichtsbeamte begleiteten ihn, und sie beschlagnahmten beide Wohnungen. Sie erstellten von allem ein Inventar und schlossen die Türen ab. Eine solche Schande! Und mir reichte es nicht einmal zur Beerdigung, dabei war der Herr Abgeordnete ein so guter, ein so feiner Mensch!«
    »Hat Gräfin Malhuysen nicht ausrichten lassen, wohin sie reiste?«
    »Nein, bitte sehr, sie hat nichts ausrichten lassen.«

    Die Mitteilungen stimmten Bálint traurig. In Gedanken rekonstruierte er die Geschehnisse. Der Fremde hatte gewiss von der Strafanzeige erfahren und war in die Hauptstadt geeilt. Und um möglichst viel beschlagnahmen zu können, jagte er Dinóra Angst ein und vertrieb sie aus der Wohnung. Ihr Besitz stand auf Boros’ Namen, und so gehörte er zu seiner Hinterlassenschaft, von der nichts übrig bleiben würde; die geschädigten Klienten des Anwalts würden sicher auf alles Anspruch erheben. Auch Boros’ Familie gerät nun ins Elend.
    Bálint trug das Mitleid mit der armen Dinóra lange in sich. Wo mochte die leichtfertige Frau mit ihrer Vogelseele wohl hingeraten sein? Sie fiel ihm oft ein und tat ihm leid. Trost fand er erst nach einigen Wochen.
    Als Delegierter beim internationalen Kongress der Genossenschaften in Wien besuchte er mit einigen Freunden das Ronacher. Von weitem erblickte er dort Dinóra. Mit einem jungen Mitglied der Wiener Bankenwelt saß sie auf der anderen Seite in einer Loge. Sie schien gutgelaunt. In den Ohren trug sie Diamantenboutons. Sie waren so groß, dass sie durch das ganze Theater herüberschimmerten.

IV.

    Zur gleichen Zeit, als Boros Selbstmord verübte, ging auch eine andere Tragödie zu Ende, die des László Gyerőffy.
    Die Ursachen reichten in lange vergangene Monate zurück, sie wurzelten in den paar Worten, mit denen er am Hubertustag vergiftet worden war: »… Kost und Logis umsonst!« – ein Spruch, den ihm so bösartig Onkel Ambrus entgegengeschleudert hatte.
    Längere Zeit wirkte der Stoff unauffällig, er zersetzte sein inneres Gleichgewicht. Er lebte an Frau Lázárs Seite unverändert weiter. Am Abend spielte er für sie Klavier oder Violine. Ein klein wenig arbeitete er auch. Zwar nicht mehr mit gleicher Lust wie zuvor, doch immerhin. Vielleicht wirkte er etwas schweigsamer, aber gesprächig war er ja nie gewesen. Äußerlich zeigte er keine Veränderung, und die Frau spürte eher nur dank ihrem weiblichen Instinkt, dass etwas ihn bedrängte. Sie umsorgte ihn mit umso mehr Güte. Sie brachte ihm sogar ein schweres Opfer. Weihnacht nahte, und sie verzichtete darauf, dass ihr Sohn für die Festtage nach Hause kam. Sie fädelte die Sache so ein, dass er in Hermannstadt bei der sächsischen Lehrerfamilie blieb, die ihn beherbergte. Ihrem Sohn bereitete sie damit Freude. Er hatte ihr einige Wochen zuvor in einem Brief verraten, dass er, zusammen mit seinen Kameraden, im Wald des Hétbírák-Gebirges eine größere Skitour unternehmen wolle. Diesen Plan hatte die Mutter selber ausgeheckt und ihn beim Lehrer, dem Gastgeber des jungen Mannes, angeregt, da sie die Sportleidenschaft des Sohns kannte. Leid fügte sie damit einzig sich selber zu. Gewissensbisse plagten sie dennoch.
    Sie hatte jedoch nicht anders handeln können. Sonst hätte sie László

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