Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)
wegschicken müssen, wäre es doch unmöglich gewesen, den Heiligen Abend zu dritt zu verbringen: sie, ihr Sohn und ihr Liebhaber. Die Vorstellung aber, den ohne jeden Anhang in der Welt stehenden Gyerőffy in die Einsamkeit und Unbehaustheit hinauszujagen, kam ihr unerträglich vor. Trotzdem wurde es ein trauriger Weihnachtsabend. Die Frau dachte im dämmrigen Zimmer neben dem kleinen Baum fortwährend an ihren Sohn. Wächst die junge Generation heran, entfernt sie sich ohnehin von den Eltern. Den Anfang dazu hatte nun sie selber gemacht.
László kamen andere Weihnachtsabende in den Sinn, die reich begangenen Feste bei der einen oder anderen seiner Tanten: ein riesiger, bis zur Decke reichender Baum, blendendes elektrisches Licht, unzählige Geschenke, die man in der Runde auf den Fußboden gelegt hatte, das fröhliche Lachen seiner Cousins und Cousinen und Klára unter ihnen … Klára, die ihm damals so gewogen war, seine Kameradin, seine Liebste … Klára, die er wegen seiner eigenen Verfehlung verloren hat.
Er griff an diesem Abend mehrmals zur Branntweinflasche, was die Frau diesmal nicht ähnlich streng beaufsichtigte wie in den Wochen zuvor. Eine Zeitlang war das nicht nötig gewesen. In den ersten beiden glücklich verbrachten Monaten hatte László dem Trinken entsagt. Jetzt aber versuchte er, an immer mehr Alkohol heranzukommen, sodass die Frau sich gezwungen fühlte, jedes stärkere Getränk vor ihm zu verschließen.
Auch machte er häufiger Besuche zu Hause in Kozárd. Wenn er von dort zurückkam, roch er nach Branntwein. Die schöne Sára stellte ihn deswegen nicht zur Rede. Sie fand dazu nicht den Mut. Instinktiv fühlte sie, dass in Gyerőffy etwas vorging, dass eine unbekannte Gemütsregung für ihre Liebe Gefahr bringen konnte. Ohne dass sie sich dessen gewahr wurde, wuchs ihre Angst immer mehr, und damit wurde sie immer nachsichtiger. Sie versuchte, ihn zu beschäftigen, sie veranlasste, dass Nachbarn ihn zu kleineren Jagden einluden. Sie kaufte für ihn ein gutes Reitpferd, vielleicht würde ihm das Reiten Vergnügen bereiten. Tag für Tag bat sie ihn, zu den Holzfällern in den Wald oder anderswohin im Gut aufzubrechen. Das war ein guter Einfall. László hatte eine Beschäftigung bekommen. Kein Zweifel, er erwies ihr stets gern einen Dienst. Er war besserer Laune, wenn er annehmen durfte, sich nützlich gemacht zu haben.
Dass sein Dienst in Tat und Wahrheit nichts taugte, wurde ihm von Frau Lázár geschickt verheimlicht. Im Gegenteil, sie erteilte ihm mehr und mehr Aufträge, da sie bemerkt hatte, dass dies László Freude machte. Nun kam es auch schon vor, dass sie ihn als ihren Stellvertreter zum Wochenmarkt nach Klausenburg schickte. Dabei allerdings gab sie ihm als ständigen Begleiter – mit strengen Auflagen – den Aufseher der Landarbeiter oder den Verwalter der Speicher mit, doch Gyerőffy selber sagte sie, dass sie nur zu ihm wirklich Vertrauen habe. Er solle das Geld für die verkauften Tiere übernehmen und die letzte Entscheidung über die annehmbaren Preise treffen.
Selbst bei solcher Vorsicht erlitt Frau Lázár manchmal kleinere oder größere Schäden. Sie nahm sie gern in Kauf, suchte das Selbstvertrauen des Freundes zu erhalten und hoffte, dass er das Handwerk allmählich erlernen werde.
Die Dinge nahmen aber einen anderen Lauf. Schon im Januar war es vorgekommen, dass László nicht heimkehrte, sondern die Nacht in der Stadt verbrachte. Später geschah Folgendes: László begab sich nach Kozárd, wohin er – da er dort nichts, auch keine Kleider mehr besaß – eine Reisetasche mitnahm. Von dort fuhr er mit dem Zug nach Klausenburg und kehrte erst am dritten Tag mit einem Fiaker nach Dezmér zurück.
Er hatte ein schlechtes, hartes Gesicht und frostige Augen, und während einiger Tage schien er angetrunken zu sein, obwohl sich die auf alles achtende Frau nicht vorstellen konnte, wie er an den Alkohol herangekommen war. Die Vorfälle jagten der armen Frau Sára große Angst ein. Mit ihrem ganzen Wesen hing sie an dem jungen Mann. Sie sagte sich gern, dass sie es war, die ihn dem verkommenen Leben entrissen hatte. Vorerst sagte sie darum nichts. Sie tat, als bemerke sie an ihm keine Veränderung. Als sich aber die Vorkommnisse wiederholten, stellte sie Nachforschungen an. Sie fand in seinem Zimmer drei versteckte Cognacflaschen. Zwei waren leer, in der dritten gab es noch einen drei Finger breiten Rest. László hatte sie in die Wohnung geschmuggelt.
Das nun konnte
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