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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Ihm war wohl bewusst, dass er Bálint gegenüber seinen Schwager nicht erwähnt hatte. Dass er die Teilnahme des Schwagers erst später bei der alten Gräfin erfunden hatte, da dies, wie er meinte, besser klang. Doch dergleichen brachte den guten Ázbej nicht in Verlegenheit. Er blinzelte kurz, und schon überbrückte er die logische Kluft: »Natürlich! Versteht sich! Auch meinen Schwager, denn er hat bisher die Mitgift meiner Frau nicht voll ausbezahlt, sondern mir stattdessen einen Wechsel ausgestellt …«
    Und er fuhr mit seinem Redeschwall fort, machte emsig Bücklinge und gab das Versprechen, dass er alles tun wolle, um sich die Wertschätzung des Herrn Grafen zu erhalten. Dazu lächelte er mit seinem winzig kleinen Mund, und man sah ihm nicht an, wie sehr es ihm wehtat, dass er nun doch Federn lassen musste, obwohl er mit dem dicken Gewinn schon als seinem Eigentum gerechnet hatte.
    Es ist doch gut, dass ich mich eingemischt habe. Meine Mutter trägt es mir zwar immer noch nach, aber irgendeinmal wird sie es schon vergessen, sagte sich Bálint, nachdem Ázbej sich verzogen hatte. Dann nahm er Papier zur Hand und schrieb an Dodó, er berichtete mit einigen Worten über das Ergebnis. Möge das dem Mädchen Freude bereiten, wenn sie sich für Lászlós Wohlergehen schon dermaßen interessierte.
    Am Nachmittag vernahm er, dass die Milóths von Wien heimgekehrt seien. Die Beerdigung finde am nächsten Tag in Klausenburg statt. Noch gleichen Abends verreiste er in die Hauptstadt.

IV.

    Anfang Mai. Strahlender Frühling. Nirgends auch nur eine Wolke. Einer riesigen Glaskuppel gleich überdeckt die Himmelsbläue die von Bergen und Tälern durchzogene Landschaft. Das Bild reicht von der dunklen Wellenlinie der Schneeberge, die sich im Süden hinter den kahlen Gipfeln der Berge von Körösfő hinziehen, über die dreifachen, zeltartigen Spitzen des Vlegyásza in Richtung Südwesten bis zu den Krümmungen des Gyalu Mare – dort springen die abschließenden Berge des Engpasses von Sebesvár mit ihren eichenbekränzten Kegeln hervor –, dann setzt es sich gegen Westen fort, im Nordwesten erhebt sich die Bergkette des Meszes, weit dehnt sie sich aus und verblasst im Dunst der Ferne, bevor sie mit vielen steilen Graten in das Almás-Tal hinuntersteigt – ein Bergkamm hinter dem anderen –, und nun folgen im Norden die unbewachsenen Lehmflanken und die dicht belaubten Buchenwälder der Hügel in der Gorbó-Region, bis sich der Kreis endlich gegen Osten mit der seltsam pilzförmigen Kuppe des Részeghegy schließt. Matter Glanz überall am unteren Rand des Horizonts, nach oben wird das Blau immer tiefer, und die Menschenseele treibt es in Sehnsucht danach, in die satte, reine Azurbläue aufzusteigen, die so unendlich groß und unberührt ist, als zögen dort Gewitterwolken niemals vorbei. Als ob das ganze Bild leise bebte, als ob alles pulsieren würde in verlangender Erwartung, dass sich der Frühling erfülle.
    Eine Wiese, ein leicht erhöhter, unter das Laubzelt der Bäume hineinreichender sanfter Abhang inmitten der breiten Hochebene, von wo sich dieses Bild eröffnet und deren Gewässer teils dem Almás-Bach und teils dem Körös zueilen. Bálint Abády stand hier, zusammen mit Géza Winkler, dem neu verpflichteten Forstingenieur, und etwas weiter unten wartete András Mézes Zutor, Vizeförster des herrschaftlichen Guts, in der Gesellschaft einiger Männer, die lange, weiß-rote Stangen, Scheiben, Messband und einen Feldstecher auf hohem Stativ bei sich trugen: die Werkzeuge der Triangulierungsarbeit. Der Ingenieur erklärte das Vorhaben. Er hatte das ganze Gebiet schon begangen, um sich einzuarbeiten. Die Hauptschneise, sagte er, solle hier beginnen und östlich vom Forst der Uzdys bis zum Ende des Forstbesitzes und den Gemeindewäldern im Westen reichen; von einer Grenze bis zur anderen. Auf beiden Seiten, jeweils fünfzig Joch umfassend, würden die einzelnen Nebenschneisen in nördlicher und südlicher Richtung verlaufen. Er zeigte die Pläne auf der Karte, argumentierte und stellte Fragen, denn die Entscheidung war jetzt fällig: Sollte man die Neigung der Seitentäler berücksichtigen, die Schneisen jeweils entlang dem trennenden Kamm führen – wodurch der Waldstand in unregelmäßige Flächen aufgeteilt würde –, oder war der Wald ohne Rücksicht auf das Gelände schnurgerade zu parzellieren und zu durchschneiden, was freilich damit einherginge, dass man bei der Wiederaufforstung der Schlagflächen mit

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