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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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unterschiedlichen Bodenverhältnissen würde rechnen müssen. Die letzte Lösung wäre als Ingenieurarbeit leichter, die erste schwieriger, aber vom forstwirtschaftlichen Standpunkt vielleicht nützlicher.
    Abády hörte der Darlegung zu. Er musste sich ein wenig Zwang antun, um aufmerksam zu bleiben. Es ging um eine wichtige, für die Zukunft des ganzen Unterfangens entscheidende Frage. Sein Verstand war also bei der Sache. Bloß seine Augen waren es nicht. Diese blickten anderswohin, nicht auf die Landkarte; sie waren zwischen zwei schlanken Eichen hindurch in die Ferne gerichtet, wo zwei butterfarbene, senkrechte Streifen durch das zufällig wie Spitzenstickerei leicht durchsichtige junge Laub hindurchschimmerten. Die Burgruine von Almáskő. Die zwei erhalten gebliebenen Mauern des Turms. Von hier aus waren sie nur zwei kleine Striche, doch man spürte, dass sie sehr hoch sein mussten. Wie zwei Ausrufezeichen, so standen sie dort, recht entfernt und doch klar, beinahe fordernd. Hinter ihnen der Himmel, um sie und unter ihnen der vielfache Wellenschlag des Waldes. Als öffne sich ein winziges Fenster, gerade nur einen Spaltbreit, durch den die beiden Mauer-Riesen aus weiter Ferne, vielleicht aus der fernen Vergangenheit herüberleuchteten …
    Bálint wechselte den Standort. Er tat nur einen Schritt, und der Wald schloss sich, das Bild der Burgruine war verschwunden. Und nun vermochte er sich ungestört mit dem Ingenieur zu unterhalten.

    Bis zum Nachmittag hatten sie das Gelände durchstreift und die wichtigeren Stellen besichtigt; dann kehrten sie zu der Lichtung an der Bergflanke zurück, wo man Abádys Zelt bereits geschickt aufgestellt hatte. Hier schlugen sie ihr Lager auf, obwohl der Ort gar nicht zentral, sondern beinahe am östlichen Rand des Forstsbesitzes lag, einige hundert Meter vom Grat entfernt, der schon den Uzdys gehörte. Doch richtig gutes Wasser fand sich nur hier, und in dieser Frage sind die Leute von Kalotaszeg sehr heikel.
    Die Sonne war hinter dem Király-Pass schon verschwunden. Am Himmel, der immer noch hell blieb, zogen aus dem Nordwesten Wolken – in solcher Höhe, dass sie weiterhin in vollem Sonnenschein glänzten. Die Forstleute befassten sich mit der Einrichtung des Lagers, sie sammelten Holz, zündeten das Feuer an, machten die Betten. Der Ingenieur widmete sich seinen Notizen. Bálint brach allein auf, er ging in den Wald. Es war irgendein Wildpfad, eine Fährte, der er folgte.

    Jetzt, da er ganz allein war und, vor sich hin brütend, langsam dahinschritt, kehrten seine Gedanken zu seinem jüngsten Aufenthalt in Pest zurück, ins Parlament und zu der heftigen Debatte, die erst einige Tage zuvor ihren Abschluss gefunden hatte. Behandelt wurde das von Apponyi vorgelegte Schulgesetz, das einerseits eine erhebliche materielle Unterstützung der Volksschulen der Nationalitäten vorsah, sodass der Staat eine schwere Last auf sich nahm, anderseits aber als Gegenleistung einen verstärkten Unterricht der Staatssprache forderte sowie das Recht der Behörden auf Disziplinarmaßnahmen gegenüber dem Lehrpersonal. Verglichen mit dem bisherigen System, bedeutete der Vorschlag eine wesentliche Änderung. Dies galt mit Blick auf die kirchliche Autonomie, da das Gesetz den Schulinspektoren das Recht zur Suspendierung gab für den Fall, dass sie das Ergebnis des Ungarischunterrichts unbefriedigend finden sollten. Derartiges hatte sich bisher nur mithilfe der kirchlichen Instanzen durchsetzen lassen.
    Apponyi hatte sich von der Vergangenheit auch bei der Vorbereitung des Gesetzes gelöst, denn einer Maßnahme dieser Art hätten gemäß dem Nationalitätengesetz 13 – wenn auch nicht nach seinen Verfügungen, so doch nach seinem Geist – Verhandlungen mit den betroffenen Kirchen vorangehen müssen, und das Endergebnis wäre wohl nicht mit ihrer ausdrücklichen, aber stillschweigenden Billigung zustande gekommen.
    Bereits Anfang März stand fest, dass die Volksschul-Vorlage aufseiten der nationalen Minderheiten auf starken Widerstand stoßen würde. Ihre parlamentarische Gruppe erklärte, dass es nun an ihr sei, die Obstruktion, das bisherige Mittel der Regierungsparteien, in Anspruch zu nehmen. Die Oberhäupter der rumänischen Kirchen ihrerseits überreichten Apponyi ein Protestmemorandum mit der Bitte, es dem König zukommen zu lassen. Auch das machte offenbar, dass in der Debatte die rumänische Frage in den Vordergrund rücken würde, und dies umso mehr, als in der 25 Köpfe umfassenden

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