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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Absolon ergriff und schwang sie. Kaum hatte er geläutet, so trat eine Frau aus dem Zimmer heraus: im Gesicht hübsch, mollig und in den mittleren Jahren. Sie stellte sich hinter den Mann, welcher der Landschaft zugewandt dasaß, und legte ihm die Hand auf die Schulter. Erst da fragte sie: »Wünschen Sie etwas?« Es war Máriskó Póka, Absolons Haushälterin und alte Geliebte. Die Frau, über die seine Feindin, die böse Tante Lizinka, seit vielen Jahren landauf, landab die Behauptung ausstreute, sie sei einst eine dreckige Dienstmagd gewesen und gehöre »zu jener anrüchigen Sorte«.
    Darin nun lag Wahrheit, aber noch viel mehr Verleumdung.
    Man hatte tatsächlich Máriskó Póka damals, als der Asienforscher zum letzten Mal heimgekehrt war, in Absolons Herrenhaus in Borbáthjó als Küchenmädchen angestellt. So viel traf also zu, mehr jedoch nicht. Sie war ein sehr ordentliches Mädchen gewesen, noch kaum 16 Jahre alt. Sie stammte nicht aus dem Dorf, sondern aus der Nachbargemeinde. Anderswo hatte sie noch nicht gearbeitet, hier stand sie zum ersten Mal im Dienst. Mit jungen Männern hatte sie noch nie zu tun gehabt. Somit war es eine Lüge, dass sie zur »anrüchigen Sorte« gehört habe.
    Absolon, damals noch ein Mann in den besten Jahren, war von Begierde nach dem Mädchen gepackt worden, und er ging auf tatarische Weise vor. Dort bekommen die Männer erst einmal die Frau, und am Morgen nach der Hochzeitsnacht lassen sie deren Vater reiche Geschenke übergeben. Das gilt bei ihnen als ein uraltes Gesetz. Auch er handelte so. Am nächsten Tag schickte er in der Morgenfrühe vier prächtige Zugochsen, um das Mädchen auszulösen. Sie wurden denn auch angenommen, darin sah man – nicht so, wie wenn er für die Frau Geld geboten hätte – keine Schande. Ein Geschenk unterlag einem anderen Urteil; und vier Ochsen, das war eine gewaltige Sache.
    Máriskó lebte seither bei ihm. Dass sie Absolon mit jemandem betrog, war unwahrscheinlich. Und zwar umso mehr, als sie, ein liebes Wesen mit gutmütigem Gesicht, samtenen Augen und gewinnendem Lächeln, ihn, den Mann, stets mit Blicken liebevoller Hingabe streichelte.
    »Irgendein Gast ist im Anzug«, sagte der Asiat, »die Kalesche ist unten eben eingebogen. Jemand soll den Leuten entgegengehen. Und du sorge für die Jause.«
    »Gut«, antwortete die Haushälterin und zog sich ins Haus zurück.
    Der beleibte alte Herr rappelte sich auf. Er ließ die Zigarre zwischen den Zähnen hängen, presste die kurze Krücke an seinen Oberschenkel, und mit einer Schnelligkeit, die von einem so verkrüppelten Mann niemand erwartet hätte, schritt er eilig durch die Zimmer; als das Vierergespann in den Hof kurvte, stand er schon zwischen den Holzsäulen des Vorbaus.
    Dieser Vorbau war eine Art geräumige Halle, offen auf beide Seiten, sowohl gegen den Hof als auch den Garten. In ganzer Breite verband er das Herrenhaus mit dem hinteren Gebäude. Seinen Boden hatte man mit gewöhnlichen Ziegeln ausgelegt und auch die Säulen bloß grob gezimmert. Außer zwei einfachen Bänken stand nichts darin. An den zwei Stirnwänden der Häuser sah man aber riesige Trophäen, allerlei Hörner von asiatischem Wild. Sie reckten sich Absolon zu, wie er sich, allein in der Mitte, auf seinen Stock stützte. Der Türsteher wartete draußen im Hof. Die Kutsche hielt. Adrienne entstieg ihr.

    Sie hatte schon seit langem geplant, den Onkel ihres Gatten aufzusuchen. Auf der Hochzeit der kleinen Margit hatte sie den Gedanken gefasst. Absolon war beim prächtigen Fest Trauzeuge gewesen. Sie hatten sich bei dieser Gelegenheit angefreundet.
    Adrienne spürte instinktiv, dass der alte Absolon sie schätzte. Dass er sie menschlich behandelte. Er benahm sich ihr gegenüber auffallend wohlwollend und aufmerksam. Nach dem Hochzeitsfest besuchte er sie und unterhielt sich lange mit ihr. Das ging gegen Absolons Gewohnheit. Damengesellschaften pflegte er fernzubleiben. Dass er selber um das Treffen gebeten hatte und lang bei ihr geblieben war, galt als eine unerwartete Anerkennung und als ein Zeichen ernsthafter Sympathie. In seiner Stimme klang sodann irgendein Ton der Teilnahme mit, als ob er die schlimmen Widrigkeiten ihres Ehelebens erfasst hätte. Nach langem Erwägen hatte Adrienne diese Erfahrung hierhergeführt. Denn sie brauchte jemanden, der ihr beistünde, wenn sie ihre Scheidung in die Wege leitete. Jemanden, der sowohl in den Augen Uzdys als auch ihrer Schwiegermutter als Autorität galt. Einen, der ihnen

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