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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Rechnung stellen. In diesem Licht, meine Liebe, wirkt Ihre Absicht umso besser begründet. Ja. Sehr begründet … Und ich übernehme alles … auch das, was Sie vielleicht gar nicht erwähnt haben … das, was – sagen wir – ob unerwartet oder nicht, aber doch vorkommen könnte … dass ich Sie beschützen müsste. Sie oder … oder sonst jemanden, der … der das nötig hätte …«
    Seine Anspielung galt offensichtlich der Liebe, die ihm zwar unbekannt war, die er aber hinter Adriennes Scheidungsabsicht vermutete. Dank seinem Instinkt und Scharfblick hegte er wohl keinen Zweifel, dass es da einen Mann geben musste, um den sich alles drehte. Dann, um das Gewicht seiner Worte möglichst rasch zu überspielen, fügte er hinzu.
    »Aber es wäre doch Jausezeit oder was? Ich begreife nicht, warum man uns nichts vorsetzt!«
    Die große Glocke stand zwar vor ihm, die er sonst, wenn er etwas wünschte, einfach zu läuten pflegte; doch diesmal langte er nicht danach, sondern erhob sich hastig und humpelte ins Haus.
    Adrienne blieb allein. Mit den Ellbogen stützte sie sich auf die Holzleiste des Geländers. Sie blickte vor sich hinab. Dieser alte Mann mit seinem Mongolengesicht, wie sympathisch er war! Wie wohlgesinnt und dienstbereit! Wie taktvoll auch seine Art bei den letzten Worten, als er das Unausgesprochene und Unaussprechliche berührt hatte: ihre Liebe.
    Ob etwas darüber an sein Ohr gedrungen war? Über ihr Verhältnis mit Bálint? Wohl kaum, denn sie wurde mit jedem anderen ins Gerede gebracht, sie selber hatte dafür gesorgt. Wohlmeinende oder böswillige ältere Damen machten ihr gegenüber oft beziehungsreiche Bemerkungen, vorab über Ambrus Kendy oder Pityu und früher über Ádám Alvinczy, aber keine brachte je Bálint ins Spiel. Nein, der alte Herr konnte nichts wissen, einzig seine langjährige Lebenserfahrung offenbarte sich.
    Gedanken dieser Art gingen ihr durch den Sinn, während sie auf den Frühlingsgarten hinabblickte. Kleine, waagrechte Beete, durch je fünf steinerne Treppenstufen verbunden, unterteilten den Steilhang. In allen wuchsen Tulpen und Narzissen. Die schön gepflegten Reihen standen in voller Blüte, während am Rand die Knospen hochstämmiger Rosen gerade erst aufbrachen. Die Form des Ganzen schien ganz regelmäßig, denn auf drei Seiten zogen sich Fliedersträucher hin: rechts am Zaun entlang, links als Abschluss des aufgeforsteten Uferteils und unten über der Landstraße. Die mit Blumen bepflanzte Anlage machte den Eindruck eines französischen Gartens im Geschmack des 18. Jahrhunderts. Der Berghang musste zu gleicher Zeit terrassiert worden sein, da man das Haus mit seinem großen Doppeldach und den stuckgeschmückten Decken erbaut hatte; es unterschied sich auffallend von dem grob gezimmerten Vorbau und dem hinteren Gebäude.
    Ein friedlicher und lächelnder, sehr verschlossener kleiner Garten war das. Er spiegelte das Gemüt dieses heiter gestimmten alten Mannes wider, wiewohl es kaum glaubhaft schien, dass er sich als Gärtner mit dem Kleinkram abgab. Doch kümmerte sich bestimmt jemand um den Garten, er verriet einen Geschmack persönlicher Art. Gärten künden von ihrem Besitzer. Und Adrienne dachte nun an den Garten in Almáskő, wo Uzdy keine einzige Blume duldete, selbst der Rasen wurde gejätet und mit der Maschine ständig gemäht, damit dort auch nicht ein einziger Hahnenfuß etwa zum Blühen kam.
    »Zu Ihren Diensten, bitte sehr«, ertönte eine Stimme hinter ihrem Rücken.
    Es war Máriskó. Mit freundlichem Lächeln lud sie die junge Frau zur Jause ein. Der Tisch war schon gedeckt, ein prächtiger Gugelhupf stand da, Mandelbiskuit, Fettkrapfen, eine zugedeckte Pfanne mit heißem Flammkuchen und viele Sorten kaltes Fleisch. Außer Tee hatte man auch Kaffee mit Büffelmilch zubereitet, denn der Hausherr trank zwar einzig chinesischen Tee, aber die unbekannte Dame gehörte vielleicht eher zur Kaffeepartei. Auch dieses Getränk stand also nebst vielerlei feinen Speisen zur Auswahl. Máriskó ermunterte die Besucherin.
    »Geruhen Sie, die Jause ist da …«
    Adrienne setzte sich an den Tisch, griff aber nicht zu.
    »Ich würde lieber warten, bis mein Onkel kommt …«
    »Nein, bitte nicht«, widersprach die Haushälterin in vertraulichem Ton. »Der Herr mag es nicht, wenn man auf ihn wartet. Er telefoniert gerade mit jemandem, und das kann eine Weile dauern. Der Herr würde sogar glauben, ich hätte Sie nicht freundlich genug zum Essen gebeten, und das nähme er mir

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