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Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Verschwundene Schätze: Roman (German Edition)

Titel: Verschwundene Schätze: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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Stubenmädchen gähnend an die Wand lehnten. Dergleichen hätte zu Lebzeiten von Frau Milóth nicht passieren können. Seit ihrem Tod aber hatte sich in Mezővarjas selbst jene bescheidene Ordnung aufgelöst, um die sie noch besorgt war. Ein jeder tat, was ihm gerade einfiel, und die kleine Margit, die schlecht bis recht den Haushalt führte, kümmerte sich nur um ihre eigenen Ziele, darum nämlich, dass sich die jungen Herren wohlfühlen, reden und tüchtig trinken sollten. Warum? Weil das so gut war. Sie begründete solche Dinge nie.
    Einzig die altersschwache Mademoiselle Morin verzog sich in den Salon, wo sie seufzend und beleidigt für sich selber am ewigen Wollstrumpf strickte. Dorthin auch schleppte Zakata den Jüngsten der Alvinczy-Jungen, als wäre er ein Sklave, um ihn unter vier Augen mit seinen Garibaldisten-Abenteuern zu traktieren, hatte doch die Versammlung im Esszimmer zwar lachend, aber einhellig dagegen protestiert.
    Die Leute im Esssaal machten Späße, sie nahmen erneut alle Einzelheiten der Kuh-Geschichte auf, darunter auch die neueste Nachricht, die am Nachmittag eingetroffen war: Die Hand der Justiz hatte den Nachtwächter erfasst. Der Gemeinderat hatte ihn von seinem Amt abgesetzt. So endete das Kuh-Drama. Das Schicksal hatte, wie in den griechischen Tragödien, den Wächter zerschmettert.

    Es gab viel Gelächter, gegenseitige Sticheleien und hin und her fliegende Scherzworte. Dennoch, irgendwie wirkte alles nicht wirklich aufrichtig und sorglos. Die Tatsache, dass einige wenige Zimmer nebenan ihre Verwandte, die arme, schöne Judith, ihre Spielkameradin und Freundin von jeher, mit verwirrtem Geist lebte, bedrückte alle. Der eine oder andere, Abády etwa, war ihr auch begegnet, anderen vertraute Iduska Laczók insgeheim an, in welchem Zustand sich Judith befand. Und unter dem Gelächter und den Scherzen, die immer dünner wurden, blickte der eine oder andere durch die Glastür auf der Hofseite hinaus in die Dunkelheit, ob das blasse Mädchengesicht mit dem an Tote gemahnenden Blick dort nicht plötzlich erscheinen würde.
    Die Konversation erfuhr ungewollt eine Wendung ins Ernsthafte. Sie sprachen über Glück und Unglück; auch über László Gyerőffys Niedergang fielen Worte, ebenso über die kleine Dinóra Malhuysen, dank deren Wechseln Wickwitz ein gutes Leben geführt hatte und die, als der Skandal losbrach, nun überall geächtet wurde; sie diskutierten über das Schicksal, welches das Gute und das Schlechte so ungleich verteilt. Den einen quält es grundlos, den anderen überhäuft es grundlos mit allen Freuden.
    »Das Glück wird nicht nach gleichem Maß bemessen …«
    Ádám Alvinczy hatte dies gerade trübsinnig gesagt und dabei Adrienne angeblickt. Doch da schlug Baron Gazsi leidenschaftlich auf den Tisch. »Das ist nicht wahch! Jawohl! Bloß Einbildung ist das! Allen geht es ganz gleich: wedech glücklich noch unglücklich. Alles ist die gleiche Pomade!«
    Es war dermaßen unerwartet, dass er über etwas seine Meinung äußerte, was nicht mit Sport zu tun hatte und auch nichts Scherzhaftes war, dass jedermann verwundert auf ihn blickte. Er indessen fuhr fort: »Jawohl! So ist es! Dachübech habe ich viel nachgedacht. Ich habe in dech Gesellschaft oft beobachtet …«
    »Etwa in der Gesellschaft von Pferden?«, unterbrach ihn Ádám Alvinczy, denn er mochte es nicht, inmitten der eigenen schmerzhaften Pose von Gazsi Widerspruch zu hören. Kadacsay geriet in Wut. Der grundlos verächtliche Ton, in dem Ádám gesprochen hatte, musste bei ihm eine tief liegende, vielleicht auch ihm selber unbekannte Wunde berührt haben. Ein andermal hätte er vielleicht mit Faxen sich selbst verspottet und die Gesellschaft zum Lachen gebracht. Jetzt aber hatte er zu viel getrunken, und die Maske des ewigen Spaßmachers, die er auch für sich selbst trug, war von ihm abgefallen. Beleidigt fragte er: »Glaubst du denn, dass man ganz vechblöden muss, wenn man cheitet? Es stimmt, ich habe damit sech viel Zeit zugebchacht, gewiss sech viel, doch manchmal denke ich selbst im Sattel auf dem Pfechd nach, wähchend du es vielleicht nicht einmal dann tust, wenn du auf beiden Beinen stehst.«
    Bálint hielt den Wortwechsel auf, der gefährlich zu werden drohte, und unterbrach die beiden: »Lass uns deine Theorie hören, Gazsi! Was du vorhin gesagt hast, enthält einen ganz neuen Gesichtspunkt.«
    »Ja, lass uns hören!«, riefen die Damen. »Wir werden schon unsere Meinung sagen …«
    Kadacsay kippte seine

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