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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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äußerst ungehalten über Mrs.   Ferrars; und ein so unpassendes Lob einer anderen auf Elinors Kosten reizte sie, obgleich sie keine Ahnung hatte, was es vor allem besagen sollte, augenblicklich dazu, heftig zu erklären: »Diese Bewunderung ist wirklich sehr sonderbar! Was bedeutet uns Miss Morton? Wer kennt sie, wen interessiert sie? Es ist Elinor, an die wir denken und von der wir sprechen.«
    Mit diesen Worten nahm sie ihrer Schwägerin die Wandschirme aus der Hand, um sie selbst so zu bewundern, wie es sich gehörte.
    Mrs.   Ferrars sah außerordentlich verärgert aus, und während sie sich steifer denn je aufrichtete, erwiderte sie auf diese bittere Strafpredigt in scharfem Ton: »Miss Morton ist Lord Mortons Tochter.«
    Fanny sah ebenfalls sehr verärgert aus, und auch ihr Gatte war voller Entsetzen über die Dreistigkeit seiner Schwester. Elinor fühlte sich weit mehr verletzt durch Mariannes Eifer, als sie es durch dessen Ursache gewesen war; doch Colonel Brandons Blick auf Marianne zeigte, daß er nur das zur Kenntnis nahm, was daran liebenswert war – das liebevolle Herz, das nicht ertragen konnte, wenn die Schwester selbst in der geringfügigsten Sache beleidigt wurde.
    Doch Mariannes Gefühle ließen sie noch nicht zur Ruhe kommen. Die kalte Unverschämtheit in Mrs.   Ferrars ganzem Verhalten ihrer Schwester gegenüber schien die gleichen Schwierigkeiten und Leiden für sie vorauszusagen, an die mit Entsetzen zu denken sie das eigene wunde Herz lehrte; und von einer starken Regung liebevoller Empfindungen getrieben, ging sie kurz darauf zu ihrer Schwester hin, schlang den |258| Arm um ihren Hals, schmiegte ihre Wange an die ihre und sagte mit leiser, aber eindringlicher Stimme: »Liebe, liebe Elinor, mach dir nichts aus ihnen. Laß dich nicht von ihnen unglücklich machen.«
    Sie konnte nicht weitersprechen; ihre Gefühle hatten sie völlig überwältigt, und während sie ihr Gesicht an Elinors Schulter verbarg, brach sie in Tränen aus. Alle waren aufmerksam geworden, und fast alle waren besorgt. Colonel Brandon stand auf und ging zu ihnen hin, ohne zu wissen, was er tat. Mrs.   Jennings, mit einem wissenden: »Ach, die Arme!«, gab ihr sofort ihr Riechsalz, und Sir John war so schrecklich aufgebracht gegen den Urheber dieser schmerzlichen Erregung, daß er sogleich den Platz wechselte, sich neben Lucy Steele setzte und ihr im Flüsterton einen kurzen Bericht über die ganze empörende Angelegenheit gab.
    Doch in wenigen Minuten hatte sich Marianne wieder genug gefaßt, um dem Tumult ein Ende zu machen und sich zu den übrigen zu setzen, obgleich sie der Eindruck des Vorgefallenen den ganzen Abend nicht losließ.
    »Arme Marianne!« sagte ihr Bruder zu Colonel Brandon leise, sobald er dessen Aufmerksamkeit erlangen konnte. »Sie erfreut sich nicht so guter Gesundheit wie ihre Schwester – sie ist sehr nervös   –, sie hat nicht Elinors Konstitution, und man muß gestehen, daß für eine junge Frau, die einmal eine Schönheit gewesen ist, in dem Verlust ihrer persönlichen Reize etwas sehr Mißliches liegt. Sie können es sich vielleicht nicht vorstellen, aber Marianne war noch vor wenigen Monaten auffallend hübsch – ganz genauso hübsch wie Elinor. Nun sehen Sie, daß alles vorbei ist.«

|259| Kapitel 35
    Elinors Neugierde, Mrs.   Ferrars zu sehen, war gestillt. Sie hatte in ihr all das vorgefunden, was eine weitere Verbindung zwischen den Familien unerwünscht machen könnte. Sie hatte genug von ihrem Hochmut, ihrer Niederträchtigkeit und ihrer entschiedenen Voreingenommenheit gegen sie selbst gesehen, um sich über all die Schwierigkeiten klarzuwerden, die eine Verlobung zwischen Edward und ihr erschwert und eine Heirat verzögert haben müßten, wenn er denn frei gewesen wäre; und sie hatte schon fast genug gesehen, um für sich selbst dankbar zu sein, daß ein größeres Hindernis sie vor jeglicher Abhängigkeit von Mrs.   Ferrars Launen und vor jeder Sorge um ihre gute Meinung bewahrte. Und wenn sie sich auch nicht ganz dazu bringen konnte, sich über Edwards Gefesseltsein an Lucy zu freuen, so entschied sie doch, daß sie sich zumindest dann hätte freuen
sollen
, wenn Lucy liebenswürdiger gewesen wäre.
    Sie wunderte sich, daß Lucy durch Mrs.   Ferrars zuvorkommendes Verhalten ihr gegenüber in so gehobener Stimmung sein konnte – daß ihre Interessen und ihre Eitelkeit sie so sehr blind machen konnten, daß ihr die Aufmerksamkeit, die ihr offenbar nur zuteil wurde, weil

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