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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Middletons mit einem Dinner im Landhaus erwidert wurde, sah man diese Tatsache bestätigt, da er ihr wiederum aufmerksam zuhörte. Es mußte so sein. Sie war vollkommen überzeugt davon. Die beiden würden ausgezeichnet zueinander passen, denn er war reich, und sie war schön. Mrs.   Jennings war schon die ganze Zeit, seit sie mit Colonel Brandon durch ihre verwandtschaftliche Beziehung zu Sir John bekannt geworden war, bestrebt gewesen, ihn gut verheiratet zu sehen; und sie war auch stets darauf bedacht, jedem hübschen Mädchen einen guten Mann zu verschaffen.
    Der augenblickliche Gewinn für sie selbst war keinesfalls |45| gering, denn er versorgte sie mit Stoff für endlose Witzeleien über die beiden. In Barton Park zog sie den Colonel damit auf, und im Landhaus Marianne. Dem ersteren waren ihre Neckereien, sofern es nur ihn selbst betraf, wahrscheinlich vollkommen gleichgültig, doch Marianne waren sie anfangs völlig unverständlich; und als sie die Absicht begriff, wußte sie kaum, ob sie über deren Unsinnigkeit lachen oder deren Ungehörigkeit verurteilen sollte, denn sie sah es als Gefühllosigkeit an, bei dem fortgeschrittenen Alter des Colonels und seinem hoffnungslosen Stand als alter Junggeselle solche Bemerkungen zu machen.
    Mrs.   Dashwood, die einen Mann, der nur fünf Jahre jünger war als sie selbst, nicht für so außerordentlich alt halten konnte, wie er der jugendlichen Phantasie ihrer Tochter erschien, erlaubte sich, Mrs.   Jennings von dem Verdacht freizusprechen, daß sie sein Alter lächerlich machen wollte.
    »Aber zumindest, Mama, kannst du nicht leugnen, daß diese Beschuldigung absurd ist, obgleich sie vielleicht nicht absichtlich boshaft gemeint ist. Colonel Brandon ist natürlich jünger als Mrs.   Jennings, aber er ist alt genug, um mein Vater zu sein; und wenn er überhaupt jemals genug Leidenschaftlichkeit besaß, um zu lieben, so muß er doch lange über jedes Gefühl dieser Art hinweg sein. Es ist absolut absurd! Wann ist ein Mann gefeit vor solchen Einfällen, wenn Alter und Gebrechlichkeit ihn nicht davor schützen?«
    »Gebrechlichkeit!« sagte Elinor; »nennst du Colonel Brandon gebrechlich! Ich kann mir leicht vorstellen, daß dir sein Alter viel höher erscheinen mag als das unserer Mutter; aber du kannst dich kaum darin täuschen, daß er seine Glieder recht gut gebrauchen kann.«
    »Hast du nicht gehört, wie er sich über Rheumatismus beklagte? Ist das nicht die verbreitetste Gebrechlichkeit in vorgerücktem Alter?«
    »Mein liebes Kind«, sagte ihre Mutter lachend, »unter diesen Umständen mußt du ja in ständiger Angst vor
meinem
Verfall leben, und es muß dir als ein Wunder erscheinen, daß |46| ich dieses fortgeschrittene Alter von vierzig Jahren überhaupt erreicht habe.«
    »Mama, du tust mir unrecht. Ich weiß sehr wohl, daß Colonel Brandon nicht alt genug ist, um seine Freunde schon jetzt fürchten zu lassen, ihn durch seinen natürlichen Tod zu verlieren. Er kann noch zwanzig Jahre leben. Aber fünfunddreißig hat nichts mehr mit Ehestand zu tun.«
    »Vielleicht«, sagte Elinor, »sollten fünfunddreißig und siebzehn zusammen lieber nichts mit Ehestand zu tun haben. Doch sollte es zufällig eine Frau geben, die mit siebenundzwanzig noch allein ist, würde ich nicht meinen, daß Colonel Brandons fünfunddreißig Jahre ein Grund wären, sie nicht zu heiraten.«
    »Eine Frau von siebenundzwanzig«, sagte Marianne nach einigem Zögern, »kann niemals wieder hoffen zu lieben oder Liebe zu erwecken; und wenn ihr Zuhause unbehaglich oder ihr Vermögen klein ist, könnte ich mir denken, daß sie sich um der Versorgung und Geborgenheit als Ehefrau willen dazu überwinden könnte, das Amt einer Krankenschwester zu übernehmen. Wenn er eine solche Frau heiraten würde, wäre somit daran nichts Unangemessenes. Es wäre eine Zweckheirat, und die Welt wäre zufrieden. In meinen Augen wäre es überhaupt keine Ehe, aber das hätte nichts zu sagen. Für mich wäre das lediglich ein Tauschhandel, aus dem jeder auf Kosten des anderen Nutzen ziehen möchte.«
    »Ich weiß, es wäre unmöglich«, erwiderte Elinor, »dich zu überzeugen, daß eine Frau von siebenundzwanzig irgend etwas für einen Mann von fünfunddreißig empfinden kann, das der Liebe nahe genug kommt, um ihn für sie zu einem begehrten Gefährten zu machen. Aber ich muß dagegen protestieren, daß du Colonel Brandon und seine Frau für alle Zeiten ins Krankenzimmer verbannst, nur weil er gestern (einem sehr

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