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Verstand und Gefühl

Titel: Verstand und Gefühl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Marianne auslöste, wurde besonders durch seine äußeren Reize angestachelt. Marianne selbst hatte weniger von seiner Person gesehen als die anderen, denn die Verwirrung, die ihr Gesicht mit tiefer Röte übergossen hatte, als er sie auf seine Arme hob, hatte es ihr unmöglich gemacht, ihn später im Haus zu betrachten. Doch sie hatte genug von ihm gesehen, um ganz in die Bewunderung der anderen mit jener Lebhaftigkeit einzustimmen, die ihr Lob stets verschönte. In Erscheinung und Auftreten entsprach er ganz dem Helden, wie er in allen ihren Lieblingsgeschichten vorkam und sie ihn sich in ihrer Phantasie immer vorgestellt hatte; und in der Tatsache, daß er sie, ohne viele Umstände zu machen, ins Haus getragen hatte, lag eine Schnelligkeit des Denkens, die ihr an seinem Vorgehen besonders gefiel. Jeder Umstand, der ihn betraf, war interessant. Sein Name war schön, sein Wohnsitz befand sich in ihrem Lieblingsdorf, und sie fand bald heraus, daß von allen männlichen Kleidungsstücken ein Jagdrock am kleidsamsten sei. Ihre Phantasie war geschäftig, ihre Gedanken angenehm, und die Schmerzen eines verstauchten Knöchels blieben unbeachtet.
    Sir John besuchte sie noch an diesem Morgen, sobald es ihm die nächste Aufheiterung nach dem Regen erlaubte auszugehen; und nachdem man ihm von Mariannes Mißgeschick berichtet hatte, wurde er lebhaft befragt, ob er einen Herrn mit Namen Willoughby in Allenham kenne.
    »Willoughby!« rief Sir John; »was, er ist im Lande? Das ist aber eine gute Nachricht; ich werde gleich morgen hinüberreiten und ihn am Donnerstag zum Dinner bitten.«
    |53| »Dann kennen Sie ihn also?« fragte Mrs.   Dashwood.
    »Ihn kennen! Aber natürlich. Er ist doch jedes Jahr hier unten.«
    »Und was ist das für ein junger Mann?«
    »Ein Bursche, wie er im Buche steht, das versichere ich Ihnen; ein sehr ordentlicher Schütze, und es gibt keinen kühneren Reiter in England.«
    »Und ist das alles, was Sie über ihn sagen können!« rief Marianne entrüstet. »Aber wie ist er, wenn man ihn näher kennt? Was sind seine Beschäftigungen, seine Talente und geistigen Fähigkeiten?«
    Sir John war ziemlich verdutzt.
    »Du meine Güte«, sagte er, »was das alles angeht, weiß ich nicht viel über ihn. Aber er ist ein angenehmer, munterer Bursche, und er hat die hübscheste kleine schwarze Pointer-Hündin, die ich je gesehen habe. War sie heute mit ihm unterwegs?«
    Aber Marianne konnte ihm ebensowenig mit der Farbe von Mr.   Willoughbys Pointer dienen, wie
er
ihr die Nuancen seines Wesens beschreiben konnte.
    »Aber wer ist er?« fragte Elinor. »Woher kommt er? Hat er ein Haus in Allenham?«
    Zu diesem Punkt konnte Sir John bestimmtere Auskunft geben; und er erzählte ihnen, daß Mr.   Willoughby kein eigenes Besitztum in der Gegend habe, daß er dort nur während seines Besuches bei der alten Dame in Allenham Court wohne, mit der er verwandt sei und deren Besitzungen er erben werde; und er fügte hinzu: »Ja, ja, es lohnt sich durchaus, ihn einzufangen, das kann ich Ihnen sagen, Miss Dashwood; er hat außerdem selbst einen hübschen kleinen Landsitz in Somersetshire. Ich an Ihrer Stelle würde ihn trotz dieses ganzen Bergrunterstürzens nicht meiner jüngeren Schwester überlassen. Miss Marianne darf nicht erwarten, alle Männer für sich allein zu haben. Brandon wird eifersüchtig werden, wenn sie nicht aufpaßt.«
    »Ich glaube nicht«, sagte Mrs.   Dashwood mit einem gutmütigen Lächeln, »daß Mr.   Willoughby durch die Versuche |54| einer
meiner
Töchter mit etwas belästigt werden wird, das Sie
ihn einfangen
nennen. Das ist keine Tätigkeit, zu der sie erzogen worden sind. Männer sind sicher vor uns, und wenn sie noch so reich sind. Doch ich freue mich, daß er nach Ihrer Aussage ein achtbarer junger Mann ist und ein Mensch, dessen Bekanntschaft nicht unerwünscht sein wird.«
    »Er ist wirklich ein Bursche, wie er im Buche steht, meine ich«, wiederholte Sir John. »Ich erinnere mich, wie er letztes Weihnachten bei einem kleinen Tanz von acht Uhr bis früh um vier tanzte, ohne sich ein einziges Mal hinzusetzen.«
    »Ach, wirklich?« rief Marianne mit blitzenden Augen, »und das mit Eleganz und Schwung?«
    »Ja; und um acht war er schon wieder auf den Beinen, um zum Jagdgehege zu reiten.«
    »Das habe ich gern; so sollte ein junger Mann sein. Was auch seine Beschäftigungen sein mögen, sein Eifer sollte keine Mäßigung kennen und in ihm kein Gefühl von Erschöpfung aufkommen lassen.«
    »Ja,

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