Verstand und Gefühl
des Hauses einluden, auf ihren Höhen die herrliche frische Luft zu genießen, waren eine treffliche Abwechslung, wenn ihnen der Schmutz unten in den Tälern deren überragende Schönheiten verschloß; und zu diesen Hügeln machten sich Marianne und Margaret eines denkwürdigen Morgens auf den Weg, angezogen von dem wechselnden Sonnenschein an einem regnerischen Himmel und nicht länger imstande, das Eingesperrtsein zu ertragen, zu dem sie der ständige Regen der letzten beiden Tage verurteilt hatte. Das Wetter war nicht verlockend genug, um die beiden anderen von Zeichenstift und Buch zu lösen, trotz Mariannes Erklärung, daß das Wetter schön bleiben und jede drohende Wolke von ihren Hügeln verschwinden würde; und so machten sich die beiden Mädchen zusammen auf den Weg.
Sie stiegen fröhlich die Hügel hinauf und freuten sich bei jedem Fleckchen blauen Himmels über ihren eigenen Scharfblick; und wenn ihnen die belebenden Stöße eines steifen Südwestwinds ins Gesicht bliesen, bedauerten sie die Befürchtungen, die ihre Mutter und Elinor davon abgehalten hatten, an so herrlichen Eindrücken teilzuhaben.
»Gibt es denn ein größeres Glück in der Welt!« sagte Marianne. »Margaret, wir wollen hier mindestens zwei Stunden spazierengehen.«
Margaret stimmte zu, und sie liefen weitere zwanzig Minuten gegen den Wind an und boten ihm lachend vor Vergnügen die Stirn, als sich plötzlich die Wolken über ihren Köpfen zusammenzogen und ihnen strömender Regen voll ins Gesicht schlug. Ärgerlich und überrascht waren sie, wenn auch widerwillig, genötigt umzukehren, denn sie konnten keinen Schutz finden, der näher war als ihr Haus. Ein Trost blieb ihnen jedoch, daß es ihnen nämlich die Not des Augenblicks entgegen jeder Schicklichkeit gestattete, so schnell sie |51| nur konnten, an der steilen Seite des Hügels hinunterzurennen, die direkt zu ihrem Gartentor führte.
Sie liefen los. Zuerst war Marianne voraus, doch ein falscher Schritt ließ sie plötzlich zu Boden stürzen, und Margaret, die nicht anhalten konnte, wurde unfreiwillig weitergetrieben und erreichte sicher den Fuß des Hügels.
Währenddessen war ein Herr mit einem Gewehr und zwei ihn umtollenden Pointern den Hügel heraufgekommen und war nur noch wenige Yard von Marianne entfernt, als sie hinfiel. Er legte sein Gewehr ab und rannte ihr zur Hilfe. Sie war aufgestanden, aber sie hatte sich bei dem Fall den Fuß vertreten und war kaum imstande zu stehen. Der Herr bot ihr seine Hilfe an, und als er merkte, daß ihr Schamgefühl ablehnte, was die Situation erforderte, nahm er sie ohne weitere Umstände auf den Arm und trug sie den Hügel hinunter. Dann ging er durch den Garten, dessen Tor Margaret offengelassen hatte, und trug sie direkt ins Haus, wo Margaret gerade angekommen war, und ließ sie nicht eher los, als bis er sie auf einen Stuhl im Wohnzimmer abgesetzt hatte.
Elinor und ihre Mutter erhoben sich verwundert bei ihrem Eintritt, und während die Blicke der beiden mit offensichtlichem Erstaunen und heimlicher Bewunderung, die seine Erscheinung gleichermaßen hervorrief, auf ihn gerichtet waren, entschuldigte er sich für sein Eindringen und berichtete ihnen die Ursache in so freimütiger und anmutiger Weise, daß der Charme seines ungewöhnlich guten Aussehens noch erhöht wurde durch seine Stimme und seine Ausdrucksweise. Selbst wenn er alt, häßlich und gewöhnlich gewesen wäre, wäre ihm die Dankbarkeit und Freundlichkeit Mrs. Dashwoods für jede aufmerksame Handlung ihrem Kind gegenüber sicher gewesen; doch der Einfluß von Jugend, Schönheit und Vornehmheit ließ sie seine Handlung in einer Weise sehen, die stark von ihren Gefühlen geprägt war.
Sie dankte ihm wieder und wieder, und in der liebenswürdigen Art, die ihr stets eigen war, bat sie ihn, sich zu setzen. Doch er lehnte höflich ab, da er schmutzig und durchnäßt sei. Mrs. Dashwood bat ihn dann, ihr zu sagen, wem sie zu danken |52| habe. Sein Name, erwiderte er, sei Willoughby und sein augenblickliches Zuhause Allenham; von dort würde er sich, wie er hoffe, mit ihrer Erlaubnis die Ehre geben, sich am nächsten Tag nach Miss Dashwood zu erkundigen. Dies wurde ihm bereitwillig gewährt. Dann ging er – und machte sich damit noch interessanter – mitten im strömenden Regen fort.
Seine männliche Schönheit und mehr als gewöhnliche Anmut waren augenblicklich Gegenstand allgemeiner Bewunderung; und die Heiterkeit, die sein ritterliches Verhalten gegenüber
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